FILMERNST

Sehend lernen – Die Schule im Kino

Das Kompetenzzentrum für
Film – Schule – Kino
im Land Brandenburg

Katzenvideos …

… sind im Netz wahnsinnig beliebt, es gibt sie millionenfach – und Milliarden Menschen sind ihr bestens unterhaltenes, nach dem Anschauen noch glücklicheres und noch zufriedeneres Publikum. Wir wollen uns das zunutze machen und gleich mit einer ganz besonderen Katze für unser Frühjahrsprogramm werben. Eigentlich sollten Sie schon längst durch unseren gedruckten Flyer erfahren haben, welche Filme wir aktuell …



… im Angebot haben und zwischen Mitte Mai und Mitte Juli in unseren Partnerkinos präsentieren werden. Aber wir sind ein wenig im Verzug, aus verschiedenen Gründen. Die Flyer jedenfalls werden gerade noch gedruckt und erst im Laufe der nächsten Woche an die Schulen versandt, wo Sie dann Ihre Aufmerksamkeit finden.

Vorab – und weil es ja mit den ersten Terminen durchaus eilt – möchten wir Sie mit diesem kleinen Rundbrief schon mal auf das Programm aufmerksam machen, bei dem Gottes- und Plüschkatzen, aber auch ganz springlebendige Eichhörnchen und viele andere Tiere die Haupt- und Nebenrollen spielen.

Da wäre, erstens, »Rudolf, der schwarze Kater«, ein wunderbarer japanischer Animationsfilm für die Allerjüngsten. Er lief vor ein paar Jahren schon mit einigem Erfolg bei uns – und wir zeigen ihn nun noch mal, weil er mit einem anderen japanischen Film in diesem Programm auf schöne Weise korrespondiert. »Rudolf« ist das Kuscheltier eines Mädchens, das es unfreiwillig aus der Provinz nach Tokio verschlägt. Die Hauptstadt-Exkursion wird eine Entdeckungs- und Bildungsreise – mit Hindernissen und Herausforderungen auf Augenhöhe der Katzen. Empfohlen für 1. bis 3. Jahrgangsstufe.

Da wäre, zweitens, »Die Eiche«, ein Dokumentarfilm ganz ohne Worte, in dem kleine und größere, niedliche und gefährliche, leisere und lautere Tiere eine Rolle spielen. Empfohlen wird er von uns für die 2. bis 7. Jahrgangsstufe, aber eigentlich ist es ein Erlebnis ohne Altersbeschränkung. Nach diesem Film blicke man anders auf Bäume, schrieb eine Kritikerin, es sei »ein malerischer, majestätischer Naturfilm, sehr sinnlich und eindrücklich« – und alles andere als stumm. Dass der Film auch akustisch eine Welt voller Entdeckungen offenbart, macht ihn zum Gesamtkunstwerk.  

Da wäre, drittens, »Suzume«, ein sogenanntes Anime – mit der Gotteskatze Daijin, die sich furchtbar gern von Touristen fotografieren und auf Instagram posten lässt, es aber faustdick hinter den kleinen Ohren hat. Von der Kritik weltweit gelobt, zaubert »Suzume« in den leuchtendsten Farben fantastische Szenerien auf die Leinwand – mythisch, aber zugleich sehr real und gegenwärtig. Es ist eine abenteuerliche Reise durch Japan – bis hin in die Region Tōhoku, wo im März 2011 ein Seebeben eine Katastrophe auslöste, die sich für alle Welt mit dem Namen Fukushima verbindet. Wir empfehlen »Suzume« ab 8. Jahrgangsstufe.

Und da wäre schließlich viertens: »The Ordinaries«. Der englische Titel mag trügen, wie so manches in diesem Werk, das – ausnahmsweise ganz ohne Tiere – in die Scheinwelt des Films, der Filmproduktion und der Filmgeschichten führt und sehr viel mit dem normalen, gewöhnlichen Leben zu tun hat. Es ist das Debüt einer jungen Regisseurin: voller geistreicher Ideen, mit viel Humor und Ironie, aber immer auch mit einem sehr ernsten Hintergrund. Es geht um soziale Unterschiede und Hierarchien, um soziale und mediale Kontrolle, um Manipulation und Macht.  Wir empfehlen »The Ordinaries« ab 9. Jahrgangsstufe.

Vier Filme, von denen wir überzeugt sind, dass sie nicht nur wegen der Katzen und der anderen Tiere zu sehr unterhaltsamen, aufschlussreichen und nachwirkenden Kino-Erlebnissen führen werden. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und senden Ihnen die herzlichsten Maiengrüße.

Ihre Anmeldungen erreichen uns am besten und schnellsten online, gleich von dieser Webseite aus. Natürlich können Sie sich auch jederzeit telefonisch mit uns in Verbindung setzen: 03378 209 162 (Susanne Guhlke) oder 03378 209 148 (Susanne Pomerance) – oder per E-Mail unter: kontakt@filmernst.de

pdf: Flyer FILMERNST Frühjahrsprogramm 2023

Der Lehrer kommt

Natürlich kommen ganz viele Lehrer:innen zu den FILMERNST-Veranstaltungen, erst recht während der SchulKinoWochen. Im Jahr 2022 waren es 2.125 Lehrkräfte, die 23.415 Kinder und Jugendliche zu insgesamt 329 Veranstaltungen in unsere Partnerkinos begleiteten – eine Spitzenbilanz! Jetzt aber kommt ein ganz spezieller ›Lehrer‹ zu uns, zur Eröffnung der SchulKinoWochen 2023: Hendrik Duryn, der seine pädagogischen Kompetenzen viele Jahre lang vor einem Millionenpublikum unter Beweis stellte. In neun Staffeln der …


… TV-Comedy-Serie »Der Lehrer« stand er von 2009 bis 2021 als Stefan Vollmer immer donnerstags im Klassenzimmer und erwarb sich Bildschirm-Bestnoten. Für die Rolle war er familiär gleich mehrfach vorgeprägt: die Eltern, aber auch Schwester und Schwägerin arbeiteten als Lehrer:innen. Gewissermaßen ihr Berufskollege wurde er nur, weil er sich für eine andere als die Schullaufbahn entschied: Der gebürtige Leipziger bewarb sich an der Theaterhochschule »Hans Otto« und bekam 1987 bereits seine erste Hauptrolle in einem DEFA-Film: »Vorspiel«, in der Regie von Peter Kahane, erzählt – mit allen Irrungen und Wirrungen – eine jugendliche Liebesgeschichte. Angesiedelt in einer DDR-Kleinstadt, wurde in Schönebeck an der Elbe gedreht. Verschiedene Szenen entstanden aber auch in Rathenow – speziell im »Haveltorkino«, das damals noch »Aktivist« hieß.

 In genau diesem Kino findet am 16. März (ab 10 Uhr) die offizielle Eröffnung der SchulKinoWochen 2023 statt – und wir freuen uns sehr, dass ›der Lehrer‹ Hendrik Duryn kommt und uns gemeinsam mit seinem damaligen Regisseur, Peter Kahane, auf die Zeitreise ins Jahr 1987 begleitet. Natürlich freuen wir uns auch über die anderen Gäste, vor allem die ›echten‹ Lehrer:innen mit ihren Klassen.

Den offiziellen Startschuss für die nun schon 17. Auflage der SchulKinoWochen im Land Brandenburg gibt der Staatssekretär im Bildungsministerium des Landes Brandenburg, Steffen Freiberg.

Dem Brandenburger Wochenblatt, kurz BRAWO, war die Rathenower SKW-Eröffnung schon mal einen schönen Beitrag wert – mit filmernstem Dank an René Wernitz.

 


Zeitungsausschnitt BRAWO

Platz für Poesie

Am 3. März ist offiziell Anmeldeschluss für die diesjährigen SchulKinoWochen. Nach der Aussendung der Programmhefte an die Schulen hatten wir mit einem winterlichen Anmeldesturm in Orkanstärke gerechnet, bisher ist es leider nur ein laues Lüftchen geworden. Insofern unser filmernster Ruf: Ab 16. März gibt’s viel zu sehen, schauen Sie, was läuft! Im Angebot sind insgesamt wieder 30 Animations-, Spiel- und Dokumentarfilme für alle Jahrgangsstufen.


Es sind Filme, die Sichten und Horizonte erweitern, Gegenwärtiges wie Zeitgeschichtliches erhellen. Filme, die einladen, sich in Beziehung zu setzen zur Welt, zum Leben und den Erfahrungen anderer. Filme, die uns auffordern, über Wünsche und Werte nachzudenken und die uns lenken können bei der Suche nach dem eigenen Weg und der eigenen Identität. Filme, die uns nach Spanien, Indien, Bangladesh, in den Libanon und den Iran führen, nach Reykjavík, Antwerpen, Amsterdam, Marseille, an die Ostsee und in die Arktis – in die Wüste von Nevada und sogar auf den Mond.

Es ist ein Filmfestival im kleinen – und da schauen wir doch glatt und voller Bewunderung zur großen Berlinale auf, dessen Direktor, Carlo Chatrian, vor der diesjährigen Eröffnung seinen Wettbewerb so beschrieb: » … eine Auswahl an vielen Filmen, die eine starke Beziehung zu dem haben, was aktuell in der Welt passiert. Das bezieht sich gar nicht so sehr auf Dokumentarfilme, die eine Blütezeit erleben, sondern auch auf fiktionale Filme. Aber ich habe auch gesagt, dass die Auswahl viel Platz für Poesie hat. Entscheidend ist die Balance …«

Dem schließen wir uns an: Die SchulKinoWochen bieten großartige Filme, in Balance der Inhalte und Formen – mit viel Platz für Poesie!

Perlen im Programm

Wir bleiben bei der Berlinale und blicken ein Jahr zurück: Da ging der Goldene Bär für den Besten Film im Wettbewerb an Carla Simón. Ihr Film »Alcarràs« ist ein beeindruckendes Mehr-Generationen-Porträt, das von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen erzählt, mit denen Menschen nicht nur in Katalonien konfrontiert sind. Auch in Brandenburg erleben die Menschen Veränderungen und Umbrüche von Landschaften, Biografien, Heimat – der vermeintliche Fortschritt hat viele Facetten. In »Alcarràs« ist es


… kein Dorf, das einem Tagebau weichen muss, sondern eine Pfirsichplantage, die den Zeitläuften zum Opfer fällt. Die bevorstehende Ernte auf dem von einer Familie seit Jahrzehnten selbstbewirtschafteten Land wird wohl die letzte sein, danach kommen Solarpaneele auf die Plantage. »Alcarràs« (empf. ab 7. Klasse) ist eine von etlichen Perlen in unserem Programm, auf einige wenige möchten wir hier besonders hinweisen.

»1982« ist ein libanesischer Spielfilm, in dem der Krieg an einem herrlichen Sommertag förmlich in eine Schulklasse einbricht, wo aus der schulischen Prüfungs- eine existentielle Ausnahmesituation wird. Juni 1982, die israelische Armee hat die Grenze zum Libanon überschritten und rückt in Richtung Beirut vor. Poesie im Schrecken: Es scheint etwas in der Luft zu liegen, am Himmel kündigt sich Unheil an: Kondensstreifen von Flugzeugen, aufgescheuchte Vogelschwärme, schwarze Tauben auf dem Schuldach. Wenig später donnern Schützenpanzer am Sportplatz vorbei. »Manchmal denkt man, es ist weit weg«, heißt es im Film. Aber das ist es nicht – weder 1982 noch heute.

 

Voller Poesie ist »Das Licht, aus dem die Träume sind« (empf. ab 7. Klasse), ein Fest der Farben und des Lichts. Ein neunjähriger indischer Junge entdeckt seine Leidenschaft für das Wunder der 24 Bilder pro Sekunde. Das große Problem: Nur Werke religiösen Inhalts sind ihm zu schauen erlaubt, vor allen anderen Filmen warnt der Vater seinen Sohn ausdrücklich: die seien lasterhaft, verdorben und damit verboten! Wie sich Samay über das väterliche Verbot hinwegsetzt, wie er mit seinen Freunden selbst kreativ wird und den Keim seiner filmischen Karriere legt, ist großartiges, poetisches Kino: Von Indien nominiert für den Academy Award®  (Oscar) 2023 in der Kategorie ›Bester Internationaler Spielfilm‹.

 

»Made in Bangladesh« (empf. ab 10. Klasse) ist ein Film großer Ermutigung, mit der – unausgesprochenen – Frage: Was kosten unsere Klamotten eigentlich? Eine Anregung für den Spielfilm war die Rana-Plaza-Katastrophe, die im April 2013 mehr als 1.100 Opfer forderte. Auch in diesem Film bricht Feuer in einer Textilfabrik aus, die Arbeiterinnen können sich gerade noch so nach draußen retten, eine von ihnen stirbt. Es muss sich etwas ändern, darin sind sich alle einig. Eine junge Frau wagt es voranzugehen bei der Gründung einer Betriebsgewerkschaft, und weder die Bestechungsversuche des Firmenbosses noch der Widerstand ihres Mannes bringen sie von ihrem Vorhaben ab. Als der Antrag im Arbeitsministerium an der Bürokratie zu scheitern droht, greift sie zu einem letzten Mittel, das sich wohl noch nie jemand getraut hat, erst recht keine Frau.

 

»Der Pfad« (empf. ab 5. Klasse) gewann 2022 den Deutschen Filmpreis, die »Lola« in Gold, für den ›Besten Kinderfilm‹. Die Geschichte blendet zurück in den Sommer 1940, ins von Deutschen noch unbesetzte Marseille. Ein 12-Jähriger und sein Vater sind auf der Flucht vor den Nazis. Wie so viele andere Emigranten müssen sie zunächst illegal über die Grenze, zu Fuß über die Pyrenäen. Ein Mädchen, kaum älter als der deutsche Junge, kennt den Pfad und erregt am wenigsten Verdacht. Nachdem Rolfs Vater verhaftet wurde, sind die Kinder auf sich allein gestellt. Vor ihnen liegt kein Abenteuer, sondern ein höchst gefahrvoller Weg, auf dem es ums Überleben geht. Zeitgeschichte, die für Fluchtschicksale heute empfindsam macht.

 

Anne Frank wurde weltweit zum Mythos, ihr Tagebuch gehört zum Weltdokumentenerbe. »Wo ist Anne Frank«, ein Animationsfilm des israelischen Regisseurs Ari Folman (empf. ab 6. Klasse), gibt dem scheinbar Bekannten – inhaltlich und stilistisch – eine außergewöhnliche Wendung. Hier geschieht das absolut Unglaubliche: Im  Amsterdamer Anne-Frank-Haus zerbirst der Glaskubus mit der Reliquie. Die Tagebucheinträge lösen sich auf und nehmen die Gestalt eines rothaarigen Mädchens an. Es ist Kitty, die aus dem Gestern ins Heute schwebt und mit Verwunderung Annes Heiligenstatus entdeckt. Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart vereint die Freundinnen, real und fantastisch. Der Film kommt erst Ende Februar in die deutschen Kinos; wir haben das Privileg, ihn schon bei den SchulKinoWochen zu zeigen.

Furchtlose Frauen

»Alle lieben Dokumentarfilme, doch niemand schaut sie. Zumindest nicht auf der großen Leinwand«, hieß es unlängst in einem Beitrag der »Süddeutschen Zeitung«. Der Autor machte auf den Widerspruch aufmerksam, dass allwöchentlich zwar verschiedenste Dokumentarfilme Premiere hätten, sich im regulären Kinoprogramm aber nur selten durchsetzten. Wir können diesen Befund nur bestätigen, leider. Gerade zu den SchulKinoWochen präsentieren wir jedes Jahr herausragende Dokumentarfilme mit nur geringer Resonanz. Dennoch lassen wir uns nicht entmutigen und werben hier für drei …


… aus dem aktuellen Programm. »No Land’s Song« (empf. ab 9. Klasse) bringt grandiose Stimmen zu Gehör, man könnte ihn einen der schönsten Musikfilme des letzten Jahrzehnts nennen, es ist aber primär ein höchst politischer Film. Er führt nach Teheran, zeigt das auch 2015 schon mutige Aufbegehren iranischer Frauen und die Absurdität autokratischer Herrschaftssysteme. Seit der Islamischen Revolution 1979 sind öffentliche Auftritte von Sängerinnen verboten, das Regime hat ein fundamentales Problem mit Frauen in der Musik. Jahrelang kämpft eine junge Komponistin darum, ein Konzert zu organisieren, doch die Hürden sind gewaltig. Sie gibt nicht auf – und ein Konzert findet statt: »Ich bin eine der furchtlosen Frauen«, singt die Tunesierin Emel Mathlouthi. Alle im Saal erheben sich für Standing ovations. Ein Triumph!

Um auch hier eine Verbindung zur Berlinale herzustellen: 2011 stand für den iranischen Regisseur Jafar Panahi ein leerer Stuhl auf der Bühne. Er war Mitglied der Jury, konnte aber nicht nach Berlin kommen, da ihn das Regime kurz zuvor zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt hatte. Seit Juli 2022 saß der Regisseur wieder im berüchtigten Ewin-Gefängnis von Teheran, bezichtigt der »Propaganda gegen die Regierung«. Anfang Februar 2023 trat er in einen Hungerstreik, kurz darauf wurde er gegen Kaution freigelassen. Einen Dokumentarfilm über den Iran im Programm der SchulKinoWochen zu haben, ist ein kleines Zeichen der Solidarität.

Leerer Stuhl beschriftet mit Jafar Panahi

 

An die Ostsee, auf die beliebteste Ferieninsel der Deutschen, führt »Wem gehört mein Dorf?« (empf. ab 9. Klasse). Göhren, im Südosten Rügens, ist mit einer wundervollen Lage gesegnet, umgeben von zwei Stränden und einem Biosphärenreservat. Aber seit langem schon wurde viel Betongold verbaut und dafür viel Natur geopfert. Ein aus dem Westen kommender Investor hat alles in seiner Hand. Doch einige Bürger:innen proben den Aufstand, die nächste Gemeinderatswahl soll eine Wende bringen. Der aus Göhren stammende Regisseur hat über mehrere Jahre hinweg, bis zur entscheidenden Abstimmung, dokumentiert, was den Ort auseinanderreißt und was ihn zusammenhält. Wir erleben die Mühen der demokratischen Ebene in einer dokumentarfilmischen Sternstunde!
Foto: Berlinale

 

In »The North Drift – Plastik in Strömen« (empf. ab 9. Klasse) stellt sich ein Dresdener Dokumentarfilmer eine kindlich-naive Frage, nachdem er am Strand des Nordpolarmeers eine deutsche Bierdose gefunden hatte: Würde eine Flaschenpost, die er mit GPS in die Elbe wirft, über 2.500 Kilometer hinweg letztlich an der Küste Nord-Norwegens stranden? Er gewinnt Freunde und Unterstützer – und aus der fixen Idee erwächst bald eine wissenschaftlich begleitete Forschungsexpedition. Einer der GPS-Drifter schafft es tatsächlich auf die Lofoten. Es gäbe Grund zur Freude über das gelungene Experiment, aber es ist ein trauriger Triumph. Es muss sich etwas ändern, wir müssen uns ändern!

»Meinst du, die Russen …

… wollen Krieg?«. Das war im letzten Jahr der mit Abstand meistaufgerufene und sicher auch meistgelesene Text unserer Webseite. Seit dem 24. Februar 2022 ist diese Frage, aus Jewgeni Jewtuschenkos Gedicht, mit einem klaren »Ja« zu beantworten. Ja, die Russen führen Krieg und sie wollen ihn weiter. Mehr als 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten mussten bislang mit ihrem Leben dafür zahlen. Opfer sind aber weit mehr Menschen, nicht zuletzt die Kinder. Vor einem Jahr hatten wir im Rundbrief auf den Dokumentarfilm »Oleg, eine Kindheit im Krieg« …


… aufmerksam gemacht, des dänischen Regisseurs Simon Lereng Wilmont. Es war der Blick auf eine Kindheit an der Kriegsfront in der Ostukraine 2014, auf ein Jahr im Leben eines Zehnjährigen. »The Distant Barking of Dogs«, so der Originaltitel, wurde auf Festivals weltweit gezeigt und ausgezeichnet.

Simon Lereng Wilmont ist dem Land und dem Schicksal ukrainischer Kinder verbunden geblieben: »A House Made of Splinters« zeigt seine mehrjährigen Beobachtungen des Lebens in einem Kinderheim in Lyssytschansk, gelegen im schon seit 2014 in Teilen von den russischen Besatzern kontrollierten Oblast Luhansk. Das Heim bietet Kindern aus zerrütteten Familien vorübergehend Zuflucht und Geborgenheit. Gedreht wurde 2019/20, inzwischen ist das Heim evakuiert.

Die Mitglieder der Dänischen Filmakademie haben »A House Made of Splinters« gerade als ›Besten Dokumentarfilm‹ ausgezeichnet, zuvor war der Film nominiert für den Europäischen Filmpreis und aktuell für den Academy Award®  (Oscar) in der Kategorie »Best Documentary Feature Film«. Am 12. März wird der Oscar vergeben.

Das Programm der SchulKinoWochen 2023 wäre unvollständig und undenkbar ohne Beiträge des ukrainischen Filmschaffens.
In einer von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) kuratierten Sonderreihe werden drei in Inhalt und Form sehr unterschiedliche Filme präsentiert.

»Stop – Zemlia«, eben erst in den deutschen Kinos gestartet, wird von der Kritik als hinreißendes Jugenddrama gerühmt, als »einer der stärksten Filme der Berlinale von 2021«, wie von Knut Elstermann zu hören war. Rüdiger Suchsland lobt auf artechock: »Dies ist kein üblicher Coming-of-Age-Film. Es ist ein lässiger, leichter Film. Ein Film, der bezaubert und bezaubern will.« Simon Rayß schreibt im »Tagesspiegel«, der Film fühle sich an, »als blicke man durch ein geöffnetes Fenster in den Alltag von ganz normalen Jugendlichen. Es ist eine historische Momentaufnahme aus einem Land, in dem nichts mehr normal ist«. Kateryna Gornostai habe »einfach einen der schönsten Filme über das Jungsein gemacht, den es im Kino gibt«, freut sich Bert Rebhandl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wir freuen uns, dass wir diesen Film im Programm haben – und empfehlen ihn sehr (ab 9. Klasse).

 

»The Earth Is Blue as an Orange«, dieser Filmtitel ist reine Poesie: Er ist einem Gedicht Paul Eluards entnommen. Poesie entdecken wir an vielen Stellen dieses ›dokumentarischen Spielfilms‹ über die Kraft der Kunst und des Kinos. Die Schwestern Myroslava und Anastasiia Trofymchuk haben ein »Yellow Bus«-Camp besucht und dort die Filmemacherin Iryna Tsilyk getroffen, die nach 2014 für Jugendliche an der Kriegsfront der Ostukraine Film-Workshops gab. Das Medium Film hat sie begeistert, und nun drehen sie ihren eigenen Film: Der soll zeigen, wie sie nach 2014 in Krasnohorivka den Krieg erlebten. Wir sehen, wie ihr Film entsteht, und wir blicken zugleich auf ihr Leben – auf ihren Alltag und ihre Feste, auf ihre Normalität und ihren Ausnahmezustand inmitten des Krieges.
Die Liste, die die Festivalteilnahmen weltweit und die Preise für »The Earth Is Blue as an Orange« aufführt, ist ellenlang. Starke Empfehlungen!

 

»This Rain Will Never Stop« (empf. ab 11. Klasse) ist ein Antikriegsfilm von stiller Wucht, in ästhetisch überzeugenden Schwarz-Weiß-Bildern. Kämpfe und Kriege sind nicht zu sehen, aber ihre seelischen Wunden und Folgen stets zu spüren, in der Ukraine und anderswo. »Held« ist der 20-jährige Andriy. Seine Mutter ist Ukrainerin, der Vater Kurde. 2012 flüchtete die Familie aus Syrien nach Europa. Ein Teil von ihnen kam ins ukrainische Lysychansk. Als 2014 Separatisten Gebiete im Donbass okkupierten und gewalttätige Ausschreitungen folgten, wurden die Suleymans vom Krieg wieder eingeholt. Jetzt will Andriy zurück nach Syrien, den Vater besuchen. Obwohl er die Papiere dafür hat, kommt er nicht über die Grenze: Vom vielen Regen ist die Brücke überschwemmt.

 

Die unabhängige internationale Medienplattform openDemocracy (London) empfiehlt übrigens fünf ukrainische Filme, die vor der Invasion Russlands entstanden sind und die man gesehen haben muss. »Stop – Zemlia« und »The Earth Is Blue as an Orange« sind zwei ihrer Empfehlungen.

https://www.opendemocracy.net/en/odr/ukrainian-films-essential-five-documentary-feature/

 

Reise zum Mond

Hoch hinaus will das Berliner Start-up »Neurospace« und schon in wenigen Jahren mit einem Rover auf dem Mond landen. Vielleicht ein neuer großer Schritt für die Menschheit. Neurospace«-Gründerin und Chefin Irene Selvanathan kam als Fünfjährige mit ihren Eltern von Sri Lanka nach Deutschland, studierte an der TU Elektrotechnik, arbeitete auf dem Weltraumbahnhof im kasachischen Baikonur. Sie und ihr Team, gäbe es bessere Experten, die unsere Veranstaltungen zum Wissenschaftsjahr begleiten könnten? Das Filmprogramm zum …


Zukunftsthema »Unser Universum« bietet Anknüpfungspunkte zu zentralen Fragen des Wissenschaftsjahres 2023: Wohin können die Weltraumreisen und die technische Entwicklung den Menschen noch führen? Wie wahrscheinlich ist es, Leben auf anderen Planeten zu entdecken? Und was bedeutet die Weltraumforschung für unser Weiterleben auf der Erde?

Wir freuen uns sehr, dass »Neurospace«-Teammitglied Maximilian von Unwerth bereits für zwei Veranstaltungen zugesagt hat. Er wird den Jugendfilm »Tito, der Professor und die Aliens« begleiten – und im Anschluss an die Vorführung sicher eine Menge Fragen zu beantworten haben, nicht nur zu Aliens. Auf dem Bild oben ist der »Mond-Rover« von Neurospace zu sehen, noch auf Berliner Erde.

»Tito, der Professor und die Aliens« (empf. für 5.-8. Klasse) ist jedenfalls Science Fiction mit Poesie: ein Mondjuwel! Der Film bietet mit der Wüste von Nevada eine grandiose Kulisse, am Rande der mythischen Area 51. Von hier unten werden Signale ins All ausgesandt und von dort oben Antworten erwartet. Auch der siebenjährige Tito und sein Onkel, ein etwas ab- und durchgedrehter Professor, hoffen auf Stimmen aus dem Universum. Was sie eint, sind Schmerz und Sehnsucht, Enttäuschung und Erlösung – fantastisch-surreal und doch so erdverbunden.

 

»Aufbruch zum Mond« – oder im Original: »First Man« – ist ein Hollywood-Blockbuster, aber in seiner vollen Länge von 142 Minuten außerirdisch-überwältigend. Der Film zeigt, wie sich Neil Armstrong fast ein Jahrzehnt lang auf das wissenschaftliche, vor allem aber politische Space-Race-Abenteuer vorbereitete. Er tut es mit atemberaubenden Bildern, die einem beim Zusehen physisch durchrütteln. Er tut es mit einer Tonspur, die das infernalisch Laute mit ehrfürchtiger Stille verbindet – und mit einer Anspielung auf Stanley Kubricks Klassiker »2001: a space odyssey«. Er tut es jedoch vor allem in der doppelten Darstellung des Mannes Armstrong als furchtloser Astronaut und verletzlicher Familienmensch. Das Ende ist gänzlich anders, als bei einem Weltraum-Spektakel und einer Heldenreise zu erwarten – empfohlen ab 9. Klasse.

 

»Wer wir waren« ist nicht nur wegen der Mitwirkung des Astronauten Alexander Gerst eine Sternstunde des Dokumentarfilms. Der Regisseur Marc Bauder hat ein unvollendetes Buch des Publizsisten Roger Willemsen zu einem Film-Essay ganz in dessen Geiste geformt: Indem er sechs Vor-Denker zu Wort kommen und aus ihrer Gedankenwelt ein Universum entstehen lässt. Mit all seinen Widersprüchen, Defiziten und Schwächen. Zurückblickend und vorausschauend zugleich. Wir sehen Bilder vom Blauen Planeten, die uns vor Augen führen, was wir bewahren müssen. »Do it Now!«, fordert eine 85-jährige Ozeanologin.

Kino King Knut

Wer kennt ihn nicht, den Knut Elstermann? Von »12 Uhr mittags – Das Filmmagazin« bei radioeins, von den Sendungen beim Kulturradio von rbb oder vom mdr, von der Berlinale- Berichterstattung im Fernsehen. Manchmal könnte man denken, der Mann tut nie ein Auge zu. Wenn er keine Filme schaut, dann spricht oder schreibt er darüber. Nicht nur kurze Kritiken, sondern auch seitenreiche Bücher. Hoffentlich findet er nun die Zeit, während der Berlinale einen Preis, den Ehrenpreis der unabhängigen Filmverleiher in Empfang zu nehmen. Die AG Verleih vergibt …


… die Auszeichnung seit 2017 an Personen, die sich ausdrücklich für die Interessen der unabhängigen Filmschaffenden einsetzen und sich dabei besondere Verdienste erworben haben. Die Begründung trifft es filmkritisch exakt: »Knut Elstermann setzt sich mit Herzblut seit über 30 Jahren als Journalist und Filmkritiker intensiv für das Arthousekino, für künstlerisch und gesellschaftlich herausragende Filme, ein und verschafft ihnen damit wichtige Sichtbarkeit und Relevanz. Sein differenzierter Blick, seine genauen Analysen, seine großartigen Interviews, gepaart mit seinem profunden Filmwissen, seiner Neugier und Begeisterungsfähigkeit machen seine Auftritte zum Genuss und schaffen wichtige Orientierung für Filmfans und diejenigen, die es werden wollen.«

Ein besonderes Faible hat Knut, wir würden jetzt gern sagen: für FILMERNST, aber wir bleiben realistisch: für die DEFA – und das hat er mit uns gemein. So passt es, wenn wir aus seinem 2021 im be.bra Verlag erschienenen Buch (»Im Gespräch. Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars«. Mit einem Vorwort von Andreas Dresen) zitieren, weil ja der Eröffnungsfilm der diesjährigen SchulKinoWochen auch ein DEFA-Film ist:

»Wer in der DDR Kinofilme drehen wollte, kam an der DEFA nicht vorbei. Sie bot eine Festanstellung und gutes Auskommen, ein kontinuierliches Arbeiten ohne Zeitdruck, sie forderte dafür grundsätzliche Loyalität ein. Veränderungen im Gefüge der Macht der DDR, seismografische Verschiebungen in den politischen Verhältnissen, Lockerungen oder Verhärtungen schlugen zeitversetzt auf die Filmproduktion durch. Filmbilder sind bekanntlich keine reinen Abbilder, doch wer die Bilder der DEFA als künstlerische Verarbeitungsstufen der Wirklichkeit zu lesen vermag, wird der Lebensrealität in der DDR näherkommen, den Hoffnungen, den Kompromissen, dem Alltag. DEFA-Filme geben noch immer Auskünfte – mit dem, wovon sie manchmal nur in Andeutungen erzählen und auch wovon sie schweigen …«

Am 16. März gibt’s im »Haveltor«-Kino in Rathenow diese Auskünfte, vielleicht sollten wir Knut noch einladen …

Foto: Medienboard Berlin-Brandenburg

Aktuelle Programmfilme

Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik

2.–5. Jahrgangsstufe

Dancing Queen

4.–7. Jahrgangsstufe

Young Hearts

4.–7. Jahrgangsstufe

Rikscha Girl

7.–9. Jahrgangsstufe

Berlin Bytch Love

9.–13. Jahrgangsstufe

Morgen irgendwo am Meer

9.–13. Jahrgangsstufe

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SchulKinoWochen im Land Brandenburg

Ein Projekt von VISION KINO – Netzwerk für Film- und
Medienkompetenz in Kooperation mit FILMERNST.
Unterstützt durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
Gefördert durch die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH.

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Sehend lernen –
Die Schule im Kino

FILMERNST

… bietet

im besonderen Lernort Kino und als Teil des Unterrichts ein regelmäßiges Programm ausgewählter Kinder- und Jugendfilme für alle Jahrgangsstufen – und darüber hinaus die Möglichkeit für Veranstaltungen mit medienpädagogisch und künstlerisch wertvollen Wunschfilmen.

… vernetzt

engagierte Lehrer, Kinobetreiber, Filmverleiher und Filmemacher und ist als Kompetenzzentrum Ansprechpartner für schulfilmische Projekte aller Art.

… präsentiert

sein Angebot in zahlreichen Brandenburger und auch Berliner Kinos und hat sich zum Markenzeichen für schulische Film- und Kinokompetenz entwickelt – in der Region und darüber hinaus.

… fördert

mit anspruchsvollen Unterrichtsmaterialien, mit moderierten Veranstaltungen, Gesprächen und Diskussionen nachhaltig die Entwicklung von Film- und Medienkompetenz, von kultureller und Allgemeinbildung.