»Nächstes Jahr fahren wir auch mal wieder in Urlaub«, sagt die Mutter bei einem Familienfest im Garten. Es ist schön hier auf dem Lande, in der Lausitz. Doch der Schein trügt. Als blühende Landschaften präsentieren sich im Jahre 2006 lediglich die Rapsfelder. Alles andere ringsum hält nicht, was den Menschen versprochen und von ihnen erhofft wurde. »Mit der Faust in die Welt schlagen« heißt der 2018 erschienene Roman des 1994 in Räckelwitz bei Bautzen geborenen Lukas Rietzschel. Es war das wuchtige literarische Debüt eines jungen Mannes, das von einer jungen Frau in einen fulminanten Film verwandelt wurde – ab jetzt im FILMERNST-Herbstprogramm. Kongenial …
… heißt es oft, wenn die filmische Adaption der Kritik und dem Publikum besonders gelungen erscheint. Für Constanze Klaues Film (empf. ab 8. Klasse) stimmt es: Sie trifft Geist und Gehalt der literarischen Vorlage – und übertrifft zugleich beides. Schon beim Lesen hatte man Bilder für die Figuren und Szenen im Kopf. Auf der Leinwand begegnet man ihnen wieder, in ganz ähnlicher oder in abweichender, veränderter, vielleicht auch irritierender Form. Genau diese Differenz macht das Sehen zu einem Erlebnis, die Geschichte der Menschen in der Lausitz zwischen 2006 und 2015 zu einer Neu-Entdeckung. Natürlich bietet sich gerade für den Literaturunterricht ein Vergleich der beiden Kunstwerke an, aber die Möglichkeiten für eine intensive Beschäftigung mit inhaltlichen wie formalen Elementen gehen weit darüber hinaus.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler, gleich ob Erwachsene, Kinder oder Jugendliche, liefern Leistungen weit über dem Durchschnitt. »Filme sehen lernen« heißt hier aber auch zu sehen, was die Kamera von Florian Brückner aus der Landschaft herausholt, was das Szenenbild und die Kostüme hinzufügen, um uns in die Zeit nach der Wende zu versetzen. Der Film ist eine Wucht und wirkt daher lange nach. Wir sind sehr froh, ihn im Programm zu haben und empfehlen ihn hier sehr, wie übrigens auch die Jugendfilmjury der Filmbewertungsstelle: »Der Film hat uns auf eine besondere Art mitgerissen. Wir empfehlen diesen berührenden Film mit aktuell politischem Inhalt ab 13 Jahren«.

Ein Foto von der Premiere im Drehort des Films, viele der Szenen entstanden in und um Görlitz. 2. v.l. auf dem Bild im Görlitzer »Filmpalast« der Autor des Romans, Lukas Rietzschel. Rechts neben ihm der fantastische Darsteller des Tobi, Camille Loup Moltzen. Mit der Hand auf seiner Schulter die Regisseurin Constanze Klaue, rechts neben ihr mit Cowboyhut Meinhard Neumann, der markante Darsteller des Uwe.
Foto: FILMERNST, Susanne Pomerance
Titelfoto: Across Nations Filmverleih, Stuttgart/Berlin