FILMERNST

Sehend lernen – Die Schule im Kino

Das Kompetenzzentrum für
Film – Schule – Kino
im Land Brandenburg

Starker Auftakt ...

... im »Haveltorkino« Rathenow für die SchulKinoWochen im Land Brandenburg. Claudia Zinke, Staatssekretärin im Bildungsministerium, und Jörg Zietemann, Bürgermeister der Stadt Rathenow, schlugen die Klappe für die offizielle Eröffnung. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal erlebten mehr als 200 Schüler:innen einen musikalischen Vormittag der Extraklasse: Mit dem französischen Spielfilm »Divertimento – Ein Orchester für alle« und weiteren musikalischen Darbietungen zweier junger Rathenower Musikerinnen: der Harfinistin Viktoria Maday und der Gitarristin Julia Horn. Beeindruckend auch die auf der Leinwand zu bewundernden Bewegungsdiagramme von Händen weltberühmter Dirigenten – wie Kurt Masur oder Yehudi Menuhin –, mitten im Orchester gezeichnet von der Bildenden Künstlerin Susanne Pomerance. Das intensive Gespräch mit den Jugendlichen drehte sich nicht zuletzt um eigene musikalische, aber auch um Diskriminierungs-Erfahrungen, wie sie die Protagonistinnen des Films erfuhren. Unterricht im außerschulischen Lernort Kino!


Auf den Fotos: Claudia Zinke, Staatssekretärin Bildungsministerium, Jörg Zietemann, Bürgermeister der Stadt Rathenow, Schüler:innen der Spektrum-Schule und des Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasiums sowie das FILMERNST-Team. Des weiteren die Harfinistin Viktoria Maday und die Gitarristin Julia Horn.


Fotos: FILMERNST/Delia Wöhlert

FILMERNST ist traurig

»Manches ist wirklich zu schwer für die Erwachsenen zu verstehen«, sagt Carola Huflattich im »Schulgespenst«, einem der vielen wunderbaren Filme von Rolf Losansky. Gestern, am 15. September, ist Rolf im Alter von 85 Jahren gestorben – und diese Nachricht ist für uns wirklich schwer zu verstehen. Sie geht uns nahe, greift uns ans Herz. Lieber Rolf: Im Himmel ist vielleicht kein Jahrmarkt, aber bestimmt ein Platz für Dich und Deine Filme. Du bleibst für immer unser Ehren-FILMERNST – mit vielen Erinnerungen an Deine Besuche und die Gespräche mit Dir. Wir behalten das dritte Auge für den bunten Blick, versprochen!


Erste Nachrufe vom 15. September:
PNN – Defa-Regisseur Rolf Losansky ist verstorben
Berliner Zeitung – Zum Tod von Rolf Losansky




Einen besonderen filmernsten Gruß an Rolf hatten wir noch im Mai dieses Jahres geschrieben – zu lesen weiter unten: Perlen und Presse

FILMERNST-Programm aktuell

Vier Animationsfilme aus vier Ländern, Perlen ihres Genres und Welterkundungen der ganz besonderen Art, die neben Witz, Spaß und Unterhaltung auch über Gehalt, Substanz und Tiefe verfügen. Wir freuen uns sehr, dass Sie unsere Einladung ins »Trick-Reich« angenommen haben: Anmeldungen gibt's für 50 Veranstaltungen, die meisten für den Oscar-Gewinner »Alles steht kopf«. Aber auch das Sonderprogramm »4 Frauen – 4 Filme« findet starke Resonanz. »Das Tagebuch der Anne Frank« …


… ist für bislang 19 Veranstaltungen gebucht – mit mehr als 2.300 angemeldeten Besuchern und mit zum Teil sehr guten, bewegenden Gesprächen über den Film, die Zeit, die Schicksale. Was wir nicht erwartet hatten: Es gibt sogar eine Anmeldung für alle vier Filme von der »Immanuel Kant«-Gesamtschule in Falkensee. Rund 120 Schülerinnen und Schüler werden an zwei Tagen im ALA Kino »Das Tagebuch der Anne Frank«, »Sophie Scholl – Fünf letzte Tage«, »Lore« und den DEFA-Film »Die Schauspielerin« mit Corinna Harfouch in der Hauptrolle sehen und darüber sprechen.

Weitere Anmeldungen nehmen wir natürlich gern entgegen, gleich hier online, per Mail oder auch telefonisch.

Flyer »Animationsfilm-Programm«
Flyer »4 Frauen – 4 Filme«

Kino und Bino

Im ersten Frühlings-Rundbrief dieses Jahr hatten wir zur Einstimmung ein bisschen Poesie geboten. Die »Rührei-mit-Schnittlauch«-Verse der lustigen Lyrikerin Friederike Kempner kamen ausgesprochen gut an, so dass wir die Reimerei in diesem Extra-Rundbrief fortsetzen. Allerdings aus einem ganz besonderen Anlass, es ist gewissermaßen ein Geburtstagslied. Der Jubilar feiert am 17. Mai seinen 70., und obwohl er schon vor fast einem Vierteljahrhundert aufs Altenteil geschickt wurde, scheint er fideler denn je.


Wir sprechen vom DEFA-Film, der läuft und läuft und läuft, der zunehmend Wertschätzung und Würdigung erfährt, und der weit mehr Perlen vorzeigen kann, als sich das mancher auf einem gelben Sofa vor einigen Jahren vorstellen konnte. Die Gipfel und Abgründe, die Stärken und Schwächen, die genutzten Gelegenheiten und verpassten Chancen einer staatlich gelenkten und geleiteten, Partei und Ideologie verpflichteten Produktionsfirma sind mittlerweile vielfach und sehr differenziert beleuchtet. Was bleibt, sind die Filme, sind Schatten und Licht.

Dieser Extra-Rundbrief, der erste überhaupt, ist daher der DEFA, genauer: den filmernsten DEFA-Sternstunden gewidmet. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen!

Das Geburtstagsständchen ist natürlich aus einem DEFA-Film, 1961 in der Regie von Ralf Kirsten gedreht und am 4. Januar 1962 in den DDR-Kinos gestartet. Der Titel könnte, fünf Monate nach dem Mauerbau, programmatischer nicht sein: »Auf der Sonnenseite«. Mit den Berliner Jazzoptimisten im Bunde singt der 25-jährige Herzensbrecher Manfred Krug eine Ode an die Freude des Kochens und des Kinos:

»Geh doch mal ins Kino, da verfliegt die Wut.
Koche mit Liebe, würze mit Bino!
Hin und wieder tut ein DEFA-Lustspiel gut.
Stell die Sorgen in die Ecke, nimm dir deinen Hut!
Spazier nur auf der Sonnenseite, dann wird alles gut!«

In diesem Sinne: Zum 70. DEFA-Geburtstag erhellende Retrospektiven!
Und wer Manne hören will, der kann hier mal schauen: Filmausschnitt auf youtube

Foto: © DEFA-Stiftung/Max Teschner

Perlen und Presse

Schon geographisch liegt Babelsberg dem FILMERNST-Kinobüro in Ludwigsfelde sehr nahe. Naheliegend war es daher von Anfang an, den Genius loci, den Geist und die Traditionen des Ortes, für unser Programm zu nutzen. Vor allem der DEFA-Kinderfilm bietet ja – unbestritten – eine Menge cineastischer Perlen. Wir wussten von einem Regisseur, für den Filme für Kinder so sein mussten wie für Erwachsene, nur etwas besser. Er hatte das »dritte Auge« für den bunten Blick, und nur mit dem lässt sich …


… laut Rolf Losansky die Welt wirklich entdecken. Rolf wurde so etwas wie der Ehren-FILMERNST, keiner war öfter unser Gast in den Kinos zwischen Uckermark und Spreewald, keiner hatte mehr Filme im FILMERNST-Programm: von »Die »Suche nach dem wunderbunten Vögelchen« über »Ein Schneemann für Afrika«, »Das Schulgespenst« oder »Moritz in der Litfaßsäule« bis hin zu » ... verdammt, ich bin erwachsen«.

Rolfs erste Frage in jedem Spielort gleich bei der Ankunft frühmorgens war übrigens: »Ist auch Presse da?« Er nahm jede Veranstaltung wichtig wie Premieren, niemals kam er zu spät. Nach den Vorstellungen beantwortete er mit Engelsgeduld die vielen Fragen der Kinder, erzählte Geschichten vom Katzencasting und dem Indianerspiel – und holte schließlich ein dickes Bündel selbstangefertigter Autogrammkarten aus der Tasche, die er unterschrieb, bis wirklich der letzte Knirps beglückt von dannen zog. Manchmal brachte er auch seine Filmhelden mit – und die Zuschauer staunten nicht schlecht, wenn sie Moritz oder Carola ›in groß‹ und in natura sahen, so wie Nicole Förster, die bei den Dreharbeiten 1987 noch Nicole Lichtenheldt hieß. Sie bewies den Kindern, dass sie beim Indianerblick nach wie vor bestens standhalten kann (siehe Bildergalerie).


»Wer so viele Kinder über Generationen mit sensiblen Filmen glücklich gemacht und ihr Herz berührt hat, dass sie sich selbst als Eltern und Großeltern noch daran erinnern, der hat diesen Preis verdient«, sagte Christa Kożik in ihrer Laudatio für Rolf, als er von der DEFA-Stiftung 2011 für Verdienste um den deutschen Film geehrt wurde.

Danke, Rolf, für die DEFA-Kinderfilm-Sternstunden!

Hier ein sehr schönes filmisches Porträt von Rolf Losansky (mit Christa Kożik), »abgedreht« von unseren Freunden vom OSZ Teltow.

Fotos: FILMERNST; FILMERNST/Andreas Winter

Shakespeare und Sommersprossen

»Die Erwachsenen wollen, dass man genauso wird wie sie. Das nennen sie dann Erziehung.« Weil ihn das elterliche Regelwerk zunehmend auf ein Muster trimmt, aber weil Moritz eben Moritz und so gar nicht »auf zack« ist, wie es der Vater gern hätte, quittiert er den Familiendienst: »Ich bin gegangen. Es hat mir nicht mehr gefallen«, hinterlässt der Junge als Botschaft und haut ab. Das starke kindliche »Plädoyer fürs Individuelle« hatte eine Autorin verfasst, deren literarische Vorlagen und filmische Szenarien …


… starke Vorgaben waren für starke Regisseure. Rolf Losansky drehte nach Christa Kożiks gleichnamigem Kinderbuch »Moritz in der Litfaßsäule«; die beiden waren ein Team auch bei »Der verzauberte Einbrecher« und »Ein Schneemann für Afrika«.

Bei FILMERNST war Christa Kożik etliche Male zu Gast. Einmal auch zu einer Veranstaltung, von der wir uns besonders viel erhofften. Wir wollten sehen, ob und wie die Verknüpfung einer zeitgenössischen Jugendliebe mit einer Shakespearschen Tragödie die Gefühlswelten eines jugendlichen Publikums auch heute noch berührt. Die Romeo-und Julia-Geschichte »Sieben Sommersprossen«, 1978 in die DDR-Kinos gekommen, erreichte seinerzeit ein Millionenpublikum. Der »Wochenpost«-Kritikerin Rosemarie Rehahn floß die Feder über: »Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt im Kino. Der Film hat, ich sag’s mal auf altmodisch: Gesinnung und Herzenstakt und Charme und Poesie und eine helle Heiterkeit.«

Wir hatten Christa Kożik als Szenaristin des Films eingeladen, gemeinsam mit dem Regisseur Herrmann Zschoche. Die jungen Leute folgten dem Film mit Aufmerksamkeit, was ein gutes Filmgespräch erwarten ließ. Als aber ein junger Mann in der ersten Reihe spontan und laut von sich gab: »Ich fand’s eklig!«, kam kein Gespräch mehr zustande. Herrmann Zschoche war erstaunt und enttäuscht – und alle Nachfragen blieben unbeantwortet. Die Aufklärung des ›Ekligen‹ folgte erst im Foyer vermittels einer Lehrerin: Als die beiden jugendlichen Protagonisten nackt im Gras umhertollen und – seinerzeit eben spektakulär – auch nackt baden, sieht man: Sie sind an bestimmten Stellen nicht rasiert!


Im Foyer wurde es dann doch noch ein angeregtes und anregendes Filmgespräch – und wir waren um eine Erfahrung reicher, wie und wodurch Filme auch wirken.

Herrmann Zschoche und Christa Kożik wurden übrigens 2014 für ihren höchst berührenden Film »Hälfte des Lebens« – in den Hauptrollen Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann – mit dem »Hölderlin-Ring« geehrt.

Hier gibt’s die nackte Haut, sehr ästhetisch: Filmtrailer
Und hier ist Hölderlins Liebe zu sehen: Filmtrailer

Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Herbert Kroiss

Illusionen und Ideale

»Lasst uns all unsere Mühe, unsere Leidenschaft und unser ganzes bisschen Verstand darauf verwenden, dass das Leben leichter, anmutiger und fröhlicher wird. Fangen wir an!« Mit dieser Hoffnung und Zuversicht, mit diesem Grundvertrauen in die eigene Kraft endet die Rede einer jungen Frau, die gerade ihr Pädagogikstudium absolviert hat und nun als Lehrerin in die Provinz geht. Doch bald schon eckt sie an mit ihren Idealen, ihrem Drang zu Offenheit, Ehrlichkeit, Kritik. Das hatte die Heldin mit dem Film gemein: »Karla« …


… eckt an und kam 1965 – in Folge des berüchtigten 11. Plenums des ZK der SED – auf die schwarze Liste, wurde jede weitere Arbeit am Film nach dem Rohschnitt abgebrochen.
Karlas Bildungsideal, so das Verdikt, wäre allgemein-humanistisch-abstrakt und eben nicht sozialistisch-klassenmäßig dargestellt. Erst nach der Wende wurde der Film – nach einem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf – vom Kameramann Günter Ost rekonstruiert und erlebte im Juni 1990 seine verspätete Kino-Premiere.

Wir hatten das große Glück, die Karla bei mehreren FILMERNST-Vorstellungen erst auf der Leinwand und dann live zu erleben – und wir waren uns einig: Es hätte keine bessere für die Rolle geben können als Jutta Hoffmann. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern war sie aktiv und agil, druckvoll und dynamisch wie die Karla vor mehr als 45 Jahren. Sie griff auch gleich selbst mal zum Mikro, forderte Meinungen und Haltungen ein. Schade, dass dies der Regisseur des Films nicht miterlebt hat, denn hier hätte Herrmann Zschoche – anders als bei den »Sieben Sommersprossen« – seine wahre Freude gehabt. »Karla« lebt und »Karla« wirkt auch heute noch, die Probleme ihrer damaligen Schüler sind zu einem guten Teil auch die Probleme heutiger Jugendlicher: eine eigene Meinung und den Mut zu haben, sie gegen andere zu artikulieren und zu verteidigen, sich zu zeigen und nicht zu verstecken, sich für etwas einzusetzen, aktiv zu werden – und vor allem nicht zu heucheln für gute Noten oder um anderer Vorteile willen.


Auf die Frage einer Schülerin, warum sie denn nach dem Verbot des Films oder auch später nicht in den Westen gegangen sei, was sie denn an der DDR mochte, dass sie so lange dort gelebt habe, antwortete Jutta Hoffmann frank und frei: »Es war meine Heimat, und ich hatte das Gefühl, dass ich den Menschen in der DDR mit meiner Arbeit etwas geben konnte. Die sagten immer: ›Wenn die Hoffmann mitspielt, dann ist es kein Scheiß.‹ Ich wollte immer Geschichten erzählen, die den Menschen hier wichtig waren, die die Leute im Westen im Gegensatz jedoch überhaupt nicht wissen wollten.« »Immer geradeaus und um die Ecke«, das wäre für sie schon damals die Kernaussage des Films gewesen – und ist es noch heute. Danke Jutta Hoffmann für diese Karla, danke Herrmann Zschoche für diesen Film.

Jutta Hoffmann liest die »Wochenpost« zwar nicht als Karla, aber als Margit Fließer im wunderbaren Egon-Günther-Film »Der Dritte«: Filmausschnitt auf youtube

Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Franz-Eberhard Daßdorf

Hoffnung und Haltung

»Im Sozialismus scheint immer die Sonne! Ich bin schon ganz blind vor lauter Licht. Wenn man’s genau nimmt, haben wir doch nur das Beifallklatschen gelernt, Fähnchen winken und so.« Sätze wie diese, von einer 17-jährigen FDJ-lerin, klangen in den Ohren einer Volksbildungsministerin, die Margot Honecker hieß, bestimmt besonders schrill. Bücher, Stücke, Filme, die sich Schule, Bildung und Erziehung widmeten, wurden von den Kunstwächtern höchst penibel »auf Stellen« gelesen und auf ihre ideologische Reinheit …


… geprüft, ganz bestimmt auch »Erscheinen Pflicht«. Der Jugendfilm von Helmut Dziuba kam 1984 in die DDR-Kinos, und der oberste Filmkritiker des »Neuen Deutschland« stellte prompt fest, dass der Regisseur hier leider unter dem von ihm gewohnten künstlerischen Niveau geblieben wäre. Statt dessen hätte er sich einer Erzählweise bedient, »die mitunter in resignative Melancholie abgleitet, in eine Konfliktgestaltung, die kaum zu konstruktivem gesellschaftlichem Handeln motiviert, sondern Verdrossenheit hinterlässt«.

Verboten wurde der Film nicht, wie »Karla« 20 Jahre zuvor, aber so richtig was anfangen wollte man auch nicht mit dem, was sich Helmut Dziuba vorgenommen hatte: »Um zu sagen: Zeig Haltung! Zeig, wer du bist – versteck dich nicht!«

Genau das hat Helmut Dziuba immer wieder bei den Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern nach den FILMERNST-Vorführungen von »Erscheinen Pflicht« gesagt – nicht als Maxime von gestern, sondern als Haltung von heute. Von seiner damaligen Hauptdarstellerin Vivian Hanjohr wurde er darin nur bestätigt, für sie blieb es der einzige, aber eben ein ganz wichtiger Film.


Helmut Dziuba wurde uns zum guten FILMERNST-Freund, wir hatten mehrere seiner Filme im Programme – und wir waren sehr traurig, als er vor drei Jahren starb. »Dürfen Erwachsene weinen«, fragt die siebenjährige Sabine Kleist in einem der schönsten und berührendsten Kinderfilme von Helmut Dziuba. Ja, sie dürfen.

Peter Sodann streicht einen Tadel im Namen des Vaters: Filmausschnitt auf youtube

Fotos: FILMERNST/Marian Stefanowski; © DEFA-Stiftung/Christa Köfer; © DEFA-Stiftung/Siegfried Skoluda

Hüben und drüben

»Wo wir nicht sind, sind unsere Feinde. Fang neu an, Junge!« Der Volkspolizist, dein Freund und Helfer, spricht hier zu einem, der vom rechten Wege abzukommen drohte. Damals, Ende der 1950er, in der Frontstadt Berlin. Hüben die Blauhemden, die nach »lauter fertigen Vorschriften« politisch-ideologisch konform leben sollten. Drüben die Halbstarken, die ihr Hemd über der Hose und Schuhe mit Kreppsohlen trugen, die Boogie tanzten und sich um Politik nicht scherten. »Berlin Ecke Schönhauser« traf einen Lebensnerv …


… der jungen Generation nicht nur in der geteilten Stadt Berlin. Zugleich provozierte er Widerspruch und heftige Ablehnung. Das FDJ-Zentralorgan »Junge Welt« veröffentlichte besorgte Leserstimmen wie diese: »Bringt der Film nicht eine Anhäufung negativer Seiten, die es wohl gibt, die aber in dieser Anhäufung ein einseitiges Bild unseres Lebens geben? [...] Wenn die FDJ auf der Leinwand erscheint, gibt es im Kino Gelächter. Warum?«

Eine Veranstaltung mit »Berlin Ecke Schönhauser« im Potsdamer Filmmuseum wurde zu einer filmernsten DEFA-Sternstunde, vor allem der Gäste wegen: Auf dem Podium saßen Ilse Pagé und Ernst-Georg Schwill als Hauptdarsteller des Films, Evelyn Carow als dessen Schnittmeisterin und nicht zuletzt Wolfgang Kohlhaase – Drehbuchautor von nationalem Ruhm und internationaler Klasse. »Wir erzählten Geschichten, die wir uns zutrauten«, sagte Kohlhaase den Schülerinnen und Schülern. Dass sie auch heute noch Jugendliche für sich einnehmen können, war dem Publikum anzumerken. Er hätte gespürt, meinte Ernst-Georg Schwill, wie den Jungen Leuten das Herz puckere, wenn es um die Liebe auf der Leinwand gehe, aber auch um den Zoff der Jungen mit den Alten.

Schwill ist in »Berlin Ecke Schönhauser« der Kumpeltyp in kurzen Lederhosen, der für eine Westmark Belohnung mit einem Stein auf eine Straßenlaterne zielt und damit Volkseigentum vorsätzlich beschädigt. Dass er im Film vom Stiefvater mit Backpfeifen malträtiert wird, fand Schwill wohl nicht so schlimm, denn auch heute wäre es doch gar nicht verkehrt, ein »kleiner Denkanstoß« gewissermaßen, wenn Kinder ab und an mal was »auf den Arsch kriegen«. Damit konnte er beim Auditorium allerdings gar nicht punkten – und Wolfgang Kohlhaase gab zu bedenken, dass Prügel ja auch damals nichts bewirkt hätten.

Die weibliche Hauptdarstellerin Ilse Pagé kam übrigens von drüben, sie wohnte in Wilmersdorf, im amerikanischen Sektor. Unter tausend Mädchen war sie ausgewählt worden, aber ihr Vater hielt nichts von der Filmerei im Osten. Doch bei den lukrativen Konditionen des DEFA-Vertrages konnte er schließlich nicht nein sagen: »Ich bekam Mathe-Nachhilfe, eine Schreibmaschine, einen Gutschein für ›Exklusiv‹-Moden und 5.000 Westmark.« Vertraglich vereinbart wurde sogar, dass im Film keine Tendenz gegen den Westen drin sein dürfe.

Liebe 1957: Dieter und Angela unter dem berühmten Hochbahnviadukt: Filmtrailer

Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/ Siegmar Holstein, Hannes Schneider

Aktuelle Programmfilme

Die kleine Spinne Lilly Webster

1.–3. Jahrgangsstufe

Yuku und die Blume des Himalaya

1.–3. Jahrgangsstufe

Ein Sack Reis

1.–13. Jahrgangsstufe

Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen

2.–5. Jahrgangsstufe

Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik

2.–5. Jahrgangsstufe

Oink

2.–5. Jahrgangsstufe

Die Eiche – Mein Zuhause

2.–7. Jahrgangsstufe

Lou – Abenteuer auf Samtpfoten

3.–5. Jahrgangsstufe

Neue Geschichten vom Franz

3.–5. Jahrgangsstufe

Das fliegende Klassenzimmer

3.–6. Jahrgangsstufe

Mein Totemtier & ich

4.–6. Jahrgangsstufe

Kannawoniwasein!

4.–7. Jahrgangsstufe

Mission Ulja Funk

4.–7. Jahrgangsstufe

Eva & Adam

5.–7. Jahrgangsstufe

Der Sommer, als ich fliegen lernte

5.–8. Jahrgangsstufe

Krabat

7.–10. Jahrgangsstufe

Dear Future Children

8.–10. Jahrgangsstufe

So Damn Easy Going

8.–10. Jahrgangsstufe

Auf der Kippe

8.–13. Jahrgangsstufe

Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit

9.–13. Jahrgangsstufe

Blix Not Bombs

9.–13. Jahrgangsstufe

Das Land meiner Träume

9.–13. Jahrgangsstufe

Der Kern, der dich zusammenhält

9.–13. Jahrgangsstufe

Divertimento – Ein Orchester für alle

9.–13. Jahrgangsstufe

Franky Five Star

9.–13. Jahrgangsstufe

Gundermann

9.–13. Jahrgangsstufe

Holy Shit – Mit SCH#!$E die Welt retten

9.–13. Jahrgangsstufe

Horizont

9.–13. Jahrgangsstufe

No Land’s Song

9.–13. Jahrgangsstufe

Persepolis

9.–13. Jahrgangsstufe

Reality

9.–13. Jahrgangsstufe

The North Drift – Plastik in Strömen

9.–13. Jahrgangsstufe

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SchulKinoWochen im Land Brandenburg

Ein Projekt von VISION KINO – Netzwerk für Film- und
Medienkompetenz in Kooperation mit FILMERNST.
Unterstützt durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
Gefördert durch die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH.

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Telefon 03378 209 161 (Susanne Guhlke)
03378 209 148 (Susanne Pomerance)
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Postanschrift FILMERNST – Kinobüro im LISUM
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Sehend lernen –
Die Schule im Kino

FILMERNST

… bietet

im besonderen Lernort Kino und als Teil des Unterrichts ein regelmäßiges Programm ausgewählter Kinder- und Jugendfilme für alle Jahrgangsstufen – und darüber hinaus die Möglichkeit für Veranstaltungen mit medienpädagogisch und künstlerisch wertvollen Wunschfilmen.

… vernetzt

engagierte Lehrer, Kinobetreiber, Filmverleiher und Filmemacher und ist als Kompetenzzentrum Ansprechpartner für schulfilmische Projekte aller Art.

… präsentiert

sein Angebot in zahlreichen Brandenburger und auch Berliner Kinos und hat sich zum Markenzeichen für schulische Film- und Kinokompetenz entwickelt – in der Region und darüber hinaus.

… fördert

mit anspruchsvollen Unterrichtsmaterialien, mit moderierten Veranstaltungen, Gesprächen und Diskussionen nachhaltig die Entwicklung von Film- und Medienkompetenz, von kultureller und Allgemeinbildung.