FILMERNST

Sehend lernen – Die Schule im Kino

Das Kompetenzzentrum für
Film – Schule – Kino
im Land Brandenburg

« neuer älter »


FILMERNST ist traurig

»Manches ist wirklich zu schwer für die Erwachsenen zu verstehen«, sagt Carola Huflattich im »Schulgespenst«, einem der vielen wunderbaren Filme von Rolf Losansky. Gestern, am 15. September, ist Rolf im Alter von 85 Jahren gestorben – und diese Nachricht ist für uns wirklich schwer zu verstehen. Sie geht uns nahe, greift uns ans Herz. Lieber Rolf: Im Himmel ist vielleicht kein Jahrmarkt, aber bestimmt ein Platz für Dich und Deine Filme. Du bleibst für immer unser Ehren-FILMERNST – mit vielen Erinnerungen an Deine Besuche und die Gespräche mit Dir. Wir behalten das dritte Auge für den bunten Blick, versprochen!


Erste Nachrufe vom 15. September:
PNN – Defa-Regisseur Rolf Losansky ist verstorben
Berliner Zeitung – Zum Tod von Rolf Losansky







Einen besonderen filmernsten Gruß an Rolf hatten wir noch im Mai dieses Jahres geschrieben – zu lesen weiter unten: Perlen und Presse

FILMERNST-Programm aktuell

Vier Animationsfilme aus vier Ländern, Perlen ihres Genres und Welterkundungen der ganz besonderen Art, die neben Witz, Spaß und Unterhaltung auch über Gehalt, Substanz und Tiefe verfügen. Wir freuen uns sehr, dass Sie unsere Einladung ins »Trick-Reich« angenommen haben: Anmeldungen gibt's für 50 Veranstaltungen, die meisten für den Oscar-Gewinner »Alles steht kopf«. Aber auch das Sonderprogramm »4 Frauen – 4 Filme« findet starke Resonanz. »Das Tagebuch der Anne Frank« …


… ist für bislang 19 Veranstaltungen gebucht – mit mehr als 2.300 angemeldeten Besuchern und mit zum Teil sehr guten, bewegenden Gesprächen über den Film, die Zeit, die Schicksale. Was wir nicht erwartet hatten: Es gibt sogar eine Anmeldung für alle vier Filme von der »Immanuel Kant«-Gesamtschule in Falkensee. Rund 120 Schülerinnen und Schüler werden an zwei Tagen im ALA Kino »Das Tagebuch der Anne Frank«, »Sophie Scholl – Fünf letzte Tage«, »Lore« und den DEFA-Film »Die Schauspielerin« mit Corinna Harfouch in der Hauptrolle sehen und darüber sprechen.

Weitere Anmeldungen nehmen wir natürlich gern entgegen, gleich hier online, per Mail oder auch telefonisch.

Flyer »Animationsfilm-Programm«
Flyer »4 Frauen – 4 Filme«

Kino und Bino

Im ersten Frühlings-Rundbrief dieses Jahr hatten wir zur Einstimmung ein bisschen Poesie geboten. Die »Rührei-mit-Schnittlauch«-Verse der lustigen Lyrikerin Friederike Kempner kamen ausgesprochen gut an, so dass wir die Reimerei in diesem Extra-Rundbrief fortsetzen. Allerdings aus einem ganz besonderen Anlass, es ist gewissermaßen ein Geburtstagslied. Der Jubilar feiert am 17. Mai seinen 70., und obwohl er schon vor fast einem Vierteljahrhundert aufs Altenteil geschickt wurde, scheint er fideler denn je.


Wir sprechen vom DEFA-Film, der läuft und läuft und läuft, der zunehmend Wertschätzung und Würdigung erfährt, und der weit mehr Perlen vorzeigen kann, als sich das mancher auf einem gelben Sofa vor einigen Jahren vorstellen konnte. Die Gipfel und Abgründe, die Stärken und Schwächen, die genutzten Gelegenheiten und verpassten Chancen einer staatlich gelenkten und geleiteten, Partei und Ideologie verpflichteten Produktionsfirma sind mittlerweile vielfach und sehr differenziert beleuchtet. Was bleibt, sind die Filme, sind Schatten und Licht.


Dieser Extra-Rundbrief, der erste überhaupt, ist daher der DEFA, genauer: den filmernsten DEFA-Sternstunden gewidmet. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen!

Das Geburtstagsständchen ist natürlich aus einem DEFA-Film, 1961 in der Regie von Ralf Kirsten gedreht und am 4. Januar 1962 in den DDR-Kinos gestartet. Der Titel könnte, fünf Monate nach dem Mauerbau, programmatischer nicht sein: »Auf der Sonnenseite«. Mit den Berliner Jazzoptimisten im Bunde singt der 25-jährige Herzensbrecher Manfred Krug eine Ode an die Freude des Kochens und des Kinos:

»Geh doch mal ins Kino, da verfliegt die Wut.
Koche mit Liebe, würze mit Bino!
Hin und wieder tut ein DEFA-Lustspiel gut.
Stell die Sorgen in die Ecke, nimm dir deinen Hut!
Spazier nur auf der Sonnenseite, dann wird alles gut!«

In diesem Sinne: Zum 70. DEFA-Geburtstag erhellende Retrospektiven!
Und wer Manne hören will, der kann hier mal schauen: Filmausschnitt auf youtube


Foto: © DEFA-Stiftung/Max Teschner

Perlen und Presse

Schon geographisch liegt Babelsberg dem FILMERNST-Kinobüro in Ludwigsfelde sehr nahe. Naheliegend war es daher von Anfang an, den Genius loci, den Geist und die Traditionen des Ortes, für unser Programm zu nutzen. Vor allem der DEFA-Kinderfilm bietet ja – unbestritten – eine Menge cineastischer Perlen. Wir wussten von einem Regisseur, für den Filme für Kinder so sein mussten wie für Erwachsene, nur etwas besser. Er hatte das »dritte Auge« für den bunten Blick, und nur mit dem lässt sich …


… laut Rolf Losansky die Welt wirklich entdecken. Rolf wurde so etwas wie der Ehren-FILMERNST, keiner war öfter unser Gast in den Kinos zwischen Uckermark und Spreewald, keiner hatte mehr Filme im FILMERNST-Programm: von »Die »Suche nach dem wunderbunten Vögelchen« über »Ein Schneemann für Afrika«, »Das Schulgespenst« oder »Moritz in der Litfaßsäule« bis hin zu » ... verdammt, ich bin erwachsen«.

Rolfs erste Frage in jedem Spielort gleich bei der Ankunft frühmorgens war übrigens: »Ist auch Presse da?« Er nahm jede Veranstaltung wichtig wie Premieren, niemals kam er zu spät. Nach den Vorstellungen beantwortete er mit Engelsgeduld die vielen Fragen der Kinder, erzählte Geschichten vom Katzencasting und dem Indianerspiel – und holte schließlich ein dickes Bündel selbstangefertigter Autogrammkarten aus der Tasche, die er unterschrieb, bis wirklich der letzte Knirps beglückt von dannen zog. Manchmal brachte er auch seine Filmhelden mit – und die Zuschauer staunten nicht schlecht, wenn sie Moritz oder Carola ›in groß‹ und in natura sahen, so wie Nicole Förster, die bei den Dreharbeiten 1987 noch Nicole Lichtenheldt hieß. Sie bewies den Kindern, dass sie beim Indianerblick nach wie vor bestens standhalten kann (siehe Bildergalerie).




»Wer so viele Kinder über Generationen mit sensiblen Filmen glücklich gemacht und ihr Herz berührt hat, dass sie sich selbst als Eltern und Großeltern noch daran erinnern, der hat diesen Preis verdient«, sagte Christa Kożik in ihrer Laudatio für Rolf, als er von der DEFA-Stiftung 2011 für Verdienste um den deutschen Film geehrt wurde.

Danke, Rolf, für die DEFA-Kinderfilm-Sternstunden!

Hier ein sehr schönes filmisches Porträt von Rolf Losansky (mit Christa Kożik), »abgedreht« von unseren Freunden vom OSZ Teltow.


Fotos: FILMERNST; FILMERNST/Andreas Winter

Shakespeare und Sommersprossen

»Die Erwachsenen wollen, dass man genauso wird wie sie. Das nennen sie dann Erziehung.« Weil ihn das elterliche Regelwerk zunehmend auf ein Muster trimmt, aber weil Moritz eben Moritz und so gar nicht »auf zack« ist, wie es der Vater gern hätte, quittiert er den Familiendienst: »Ich bin gegangen. Es hat mir nicht mehr gefallen«, hinterlässt der Junge als Botschaft und haut ab. Das starke kindliche »Plädoyer fürs Individuelle« hatte eine Autorin verfasst, deren literarische Vorlagen und filmische Szenarien …


… starke Vorgaben waren für starke Regisseure. Rolf Losansky drehte nach Christa Kożiks gleichnamigem Kinderbuch »Moritz in der Litfaßsäule«; die beiden waren ein Team auch bei »Der verzauberte Einbrecher« und »Ein Schneemann für Afrika«.

Bei FILMERNST war Christa Kożik etliche Male zu Gast. Einmal auch zu einer Veranstaltung, von der wir uns besonders viel erhofften. Wir wollten sehen, ob und wie die Verknüpfung einer zeitgenössischen Jugendliebe mit einer Shakespearschen Tragödie die Gefühlswelten eines jugendlichen Publikums auch heute noch berührt. Die Romeo-und Julia-Geschichte »Sieben Sommersprossen«, 1978 in die DDR-Kinos gekommen, erreichte seinerzeit ein Millionenpublikum. Der »Wochenpost«-Kritikerin Rosemarie Rehahn floß die Feder über: »Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt im Kino. Der Film hat, ich sag’s mal auf altmodisch: Gesinnung und Herzenstakt und Charme und Poesie und eine helle Heiterkeit.«

Wir hatten Christa Kożik als Szenaristin des Films eingeladen, gemeinsam mit dem Regisseur Herrmann Zschoche. Die jungen Leute folgten dem Film mit Aufmerksamkeit, was ein gutes Filmgespräch erwarten ließ. Als aber ein junger Mann in der ersten Reihe spontan und laut von sich gab: »Ich fand’s eklig!«, kam kein Gespräch mehr zustande. Herrmann Zschoche war erstaunt und enttäuscht – und alle Nachfragen blieben unbeantwortet. Die Aufklärung des ›Ekligen‹ folgte erst im Foyer vermittels einer Lehrerin: Als die beiden jugendlichen Protagonisten nackt im Gras umhertollen und – seinerzeit eben spektakulär – auch nackt baden, sieht man: Sie sind an bestimmten Stellen nicht rasiert!




Im Foyer wurde es dann doch noch ein angeregtes und anregendes Filmgespräch – und wir waren um eine Erfahrung reicher, wie und wodurch Filme auch wirken.

Herrmann Zschoche und Christa Kożik wurden übrigens 2014 für ihren höchst berührenden Film »Hälfte des Lebens« – in den Hauptrollen Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann – mit dem »Hölderlin-Ring« geehrt.

Hier gibt’s die nackte Haut, sehr ästhetisch: Filmtrailer
Und hier ist Hölderlins Liebe zu sehen: Filmtrailer


Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Herbert Kroiss

Illusionen und Ideale

»Lasst uns all unsere Mühe, unsere Leidenschaft und unser ganzes bisschen Verstand darauf verwenden, dass das Leben leichter, anmutiger und fröhlicher wird. Fangen wir an!« Mit dieser Hoffnung und Zuversicht, mit diesem Grundvertrauen in die eigene Kraft endet die Rede einer jungen Frau, die gerade ihr Pädagogikstudium absolviert hat und nun als Lehrerin in die Provinz geht. Doch bald schon eckt sie an mit ihren Idealen, ihrem Drang zu Offenheit, Ehrlichkeit, Kritik. Das hatte die Heldin mit dem Film gemein: »Karla« …


… eckt an und kam 1965 – in Folge des berüchtigten 11. Plenums des ZK der SED – auf die schwarze Liste, wurde jede weitere Arbeit am Film nach dem Rohschnitt abgebrochen.
Karlas Bildungsideal, so das Verdikt, wäre allgemein-humanistisch-abstrakt und eben nicht sozialistisch-klassenmäßig dargestellt. Erst nach der Wende wurde der Film – nach einem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf – vom Kameramann Günter Ost rekonstruiert und erlebte im Juni 1990 seine verspätete Kino-Premiere.


Wir hatten das große Glück, die Karla bei mehreren FILMERNST-Vorstellungen erst auf der Leinwand und dann live zu erleben – und wir waren uns einig: Es hätte keine bessere für die Rolle geben können als Jutta Hoffmann. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern war sie aktiv und agil, druckvoll und dynamisch wie die Karla vor mehr als 45 Jahren. Sie griff auch gleich selbst mal zum Mikro, forderte Meinungen und Haltungen ein. Schade, dass dies der Regisseur des Films nicht miterlebt hat, denn hier hätte Herrmann Zschoche – anders als bei den »Sieben Sommersprossen« – seine wahre Freude gehabt. »Karla« lebt und »Karla« wirkt auch heute noch, die Probleme ihrer damaligen Schüler sind zu einem guten Teil auch die Probleme heutiger Jugendlicher: eine eigene Meinung und den Mut zu haben, sie gegen andere zu artikulieren und zu verteidigen, sich zu zeigen und nicht zu verstecken, sich für etwas einzusetzen, aktiv zu werden – und vor allem nicht zu heucheln für gute Noten oder um anderer Vorteile willen.




Auf die Frage einer Schülerin, warum sie denn nach dem Verbot des Films oder auch später nicht in den Westen gegangen sei, was sie denn an der DDR mochte, dass sie so lange dort gelebt habe, antwortete Jutta Hoffmann frank und frei: »Es war meine Heimat, und ich hatte das Gefühl, dass ich den Menschen in der DDR mit meiner Arbeit etwas geben konnte. Die sagten immer: ›Wenn die Hoffmann mitspielt, dann ist es kein Scheiß.‹ Ich wollte immer Geschichten erzählen, die den Menschen hier wichtig waren, die die Leute im Westen im Gegensatz jedoch überhaupt nicht wissen wollten.« »Immer geradeaus und um die Ecke«, das wäre für sie schon damals die Kernaussage des Films gewesen – und ist es noch heute. Danke Jutta Hoffmann für diese Karla, danke Herrmann Zschoche für diesen Film.

Jutta Hoffmann liest die »Wochenpost« zwar nicht als Karla, aber als Margit Fließer im wunderbaren Egon-Günther-Film »Der Dritte«: Filmausschnitt auf youtube


Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Franz-Eberhard Daßdorf

Hoffnung und Haltung

»Im Sozialismus scheint immer die Sonne! Ich bin schon ganz blind vor lauter Licht. Wenn man’s genau nimmt, haben wir doch nur das Beifallklatschen gelernt, Fähnchen winken und so.« Sätze wie diese, von einer 17-jährigen FDJ-lerin, klangen in den Ohren einer Volksbildungsministerin, die Margot Honecker hieß, bestimmt besonders schrill. Bücher, Stücke, Filme, die sich Schule, Bildung und Erziehung widmeten, wurden von den Kunstwächtern höchst penibel »auf Stellen« gelesen und auf ihre ideologische Reinheit …


… geprüft, ganz bestimmt auch »Erscheinen Pflicht«. Der Jugendfilm von Helmut Dziuba kam 1984 in die DDR-Kinos, und der oberste Filmkritiker des »Neuen Deutschland« stellte prompt fest, dass der Regisseur hier leider unter dem von ihm gewohnten künstlerischen Niveau geblieben wäre. Statt dessen hätte er sich einer Erzählweise bedient, »die mitunter in resignative Melancholie abgleitet, in eine Konfliktgestaltung, die kaum zu konstruktivem gesellschaftlichem Handeln motiviert, sondern Verdrossenheit hinterlässt«.

Verboten wurde der Film nicht, wie »Karla« 20 Jahre zuvor, aber so richtig was anfangen wollte man auch nicht mit dem, was sich Helmut Dziuba vorgenommen hatte: »Um zu sagen: Zeig Haltung! Zeig, wer du bist – versteck dich nicht!«

Genau das hat Helmut Dziuba immer wieder bei den Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern nach den FILMERNST-Vorführungen von »Erscheinen Pflicht« gesagt – nicht als Maxime von gestern, sondern als Haltung von heute. Von seiner damaligen Hauptdarstellerin Vivian Hanjohr wurde er darin nur bestätigt, für sie blieb es der einzige, aber eben ein ganz wichtiger Film.




Helmut Dziuba wurde uns zum guten FILMERNST-Freund, wir hatten mehrere seiner Filme im Programme – und wir waren sehr traurig, als er vor drei Jahren starb. »Dürfen Erwachsene weinen«, fragt die siebenjährige Sabine Kleist in einem der schönsten und berührendsten Kinderfilme von Helmut Dziuba. Ja, sie dürfen.

Peter Sodann streicht einen Tadel im Namen des Vaters: Filmausschnitt auf youtube


Fotos: FILMERNST/Marian Stefanowski; © DEFA-Stiftung/Christa Köfer; © DEFA-Stiftung/Siegfried Skoluda

Hüben und drüben

»Wo wir nicht sind, sind unsere Feinde. Fang neu an, Junge!« Der Volkspolizist, dein Freund und Helfer, spricht hier zu einem, der vom rechten Wege abzukommen drohte. Damals, Ende der 1950er, in der Frontstadt Berlin. Hüben die Blauhemden, die nach »lauter fertigen Vorschriften« politisch-ideologisch konform leben sollten. Drüben die Halbstarken, die ihr Hemd über der Hose und Schuhe mit Kreppsohlen trugen, die Boogie tanzten und sich um Politik nicht scherten. »Berlin Ecke Schönhauser« traf einen Lebensnerv …


… der jungen Generation nicht nur in der geteilten Stadt Berlin. Zugleich provozierte er Widerspruch und heftige Ablehnung. Das FDJ-Zentralorgan »Junge Welt« veröffentlichte besorgte Leserstimmen wie diese: »Bringt der Film nicht eine Anhäufung negativer Seiten, die es wohl gibt, die aber in dieser Anhäufung ein einseitiges Bild unseres Lebens geben? [...] Wenn die FDJ auf der Leinwand erscheint, gibt es im Kino Gelächter. Warum?«

Eine Veranstaltung mit »Berlin Ecke Schönhauser« im Potsdamer Filmmuseum wurde zu einer filmernsten DEFA-Sternstunde, vor allem der Gäste wegen: Auf dem Podium saßen Ilse Pagé und Ernst-Georg Schwill als Hauptdarsteller des Films, Evelyn Carow als dessen Schnittmeisterin und nicht zuletzt Wolfgang Kohlhaase – Drehbuchautor von nationalem Ruhm und internationaler Klasse. »Wir erzählten Geschichten, die wir uns zutrauten«, sagte Kohlhaase den Schülerinnen und Schülern. Dass sie auch heute noch Jugendliche für sich einnehmen können, war dem Publikum anzumerken. Er hätte gespürt, meinte Ernst-Georg Schwill, wie den Jungen Leuten das Herz puckere, wenn es um die Liebe auf der Leinwand gehe, aber auch um den Zoff der Jungen mit den Alten.

Schwill ist in »Berlin Ecke Schönhauser« der Kumpeltyp in kurzen Lederhosen, der für eine Westmark Belohnung mit einem Stein auf eine Straßenlaterne zielt und damit Volkseigentum vorsätzlich beschädigt. Dass er im Film vom Stiefvater mit Backpfeifen malträtiert wird, fand Schwill wohl nicht so schlimm, denn auch heute wäre es doch gar nicht verkehrt, ein »kleiner Denkanstoß« gewissermaßen, wenn Kinder ab und an mal was »auf den Arsch kriegen«. Damit konnte er beim Auditorium allerdings gar nicht punkten – und Wolfgang Kohlhaase gab zu bedenken, dass Prügel ja auch damals nichts bewirkt hätten.




Die weibliche Hauptdarstellerin Ilse Pagé kam übrigens von drüben, sie wohnte in Wilmersdorf, im amerikanischen Sektor. Unter tausend Mädchen war sie ausgewählt worden, aber ihr Vater hielt nichts von der Filmerei im Osten. Doch bei den lukrativen Konditionen des DEFA-Vertrages konnte er schließlich nicht nein sagen: »Ich bekam Mathe-Nachhilfe, eine Schreibmaschine, einen Gutschein für ›Exklusiv‹-Moden und 5.000 Westmark.« Vertraglich vereinbart wurde sogar, dass im Film keine Tendenz gegen den Westen drin sein dürfe.

Liebe 1957: Dieter und Angela unter dem berühmten Hochbahnviadukt: Filmtrailer


Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/ Siegmar Holstein, Hannes Schneider




Märker und Marathon

»Nun bin ich also mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Zielgerade eingebogen, ohne dass ich je Sportler war. Eher Dauerläufer in den verschiedensten Disziplinen. An Puste fehlt’s mir eigentlich noch nicht, aber es muss ja an irgendwas liegen, wenn man nicht ewig lebt.« Diese Sätze schrieb uns ein filmischer Ausdauerathlet auf unsere Grüße zu seinem 80. Gefeiert hatten wir ihn mit einem Film, der – vom Genre her – in seinem Schaffen eher die Ausnahme darstellt: »Der tapfere Schulschwänzer« …


… ist Winfried Junges – 1967 entstandener – einziger Spielfilm, in dem es sich um die Frage dreht: »Isser nun een Held oder isser nun keener?«, weil der Protagonist zwar ein gutes Werk vollbracht hat, ihm das aber nur deshalb möglich war, weil er den Unterricht verbummelte. Auf diesem Weg zur Schule hätte er – später – vielleicht auf den Moritz in seiner Litfaßsäule treffen können: Junges und Losanskys Helden sind Brüder im Geiste.




Bekannt und berühmt geworden ist Winfried Junge aber mit einem Monumentalwerk in vielen Teilen. Am Anfang war sicher nicht abzusehen, dass er die Kondition und die Puste eines Langstreckenläufers brauchen würde. Was 1961 begann – »Die Kinder von Golzow« –, summierte sich in der Folge auf mehr als 20 Kurz- und Langfilme bis hin zum Abschluss »Und wenn sie nicht gestorben sind«. Wer wirklich wissen will, was die Menschen in diesem kleinen Land zwischen Aufbruch und Niedergang bewegte, wie sie dachten und fühlten, warum sie blieben oder gingen, der findet bei Junges Golzowern Antworten, Einsichten, Erkenntnisse. Winfried Junge ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Aufklärer, sein filmischer Langstreckenlauf weltweit einzigartig. Gründe genug, dass das Land Brandenburg ihm (und seiner Frau Barbara) mit dem »Roten Adlerorden« die Ehre erwiesen hat.

Empfehlenswert – bei einem Ausflug ins Oderbruch – ist auf jeden Fall der Besuch des »Filmmuseums Kinder von Golzow« im dortigen Gemeindezentrum. Und dass Golzow nach wie vor etwas Besonderes ist und für Schlagzeilen sorgt, wurde im Herbst 2015 publik: Eigentlich hätte die Golzower Grundschule dicht machen müssen, weil einfach nicht genügend Erstklässler nachrückten. Doch dann holte der Bürgermeister zwei syrische Familien ins Dorf – und die erforderliche Schülerzahl wurde erreicht: Junge, Junge, die Kinder von Golzow!


Zur FILMERNST-Veranstaltung brachte Winfried Junge auch seinen damaligen Hauptdarsteller André Kallenbach (und der wiederum seinen Enkel) mit. Dritter Gast im Bunde war mit Peter Gotthardt einer der bedeutendsten DEFA-Filmkomponisten. Die Stimmung im Saal war prächtig!


Fotos: Sachiko Schmidt/Filmmuseum Potsdam

Politik und Propaganda

»Wir stehen da wie die Schlange und das Kaninchen. Das Kaninchen bin ich«, denkt eine 19-Jährige, als sie sich der Frau ihres Geliebten und deren Luftgewehr gegenübersieht. Nicht wegen sittlicher Bedenken wurde »Das Kaninchen bin ich« 1965 verboten. Ging ein Genosse fremd, war das nicht schön, aber auch kein Drama. Das Drama wäre, wenn ein Film zeigte, welch Karrierist dieser Genosse ist, wie er sein sozialistisches Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Selbst für den DEFA-Gründer gab es hier kein Pardon …


Kurt Maetzigs Versuch, offene Probleme aufzuspüren, sie mit den Mitteln der Kunst bewusst zu machen und die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen, scheiterte. Der DEFA-Gründer und – über jeden Verdacht eines ungefestigten Klassenstandpunkts erhabene – Genosse übte öffentlich Selbstkritik; am Vorwurf der Sozialismus- und Staatskritik seines Filmes änderte das nichts. »Das Kaninchen bin ich« blieb unter Verschluss bis zur Wende.

Zu Professor Kurt Maetzig nahmen wir filmernsten Kontakt auf, als wir unser großes Projekt »Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken: Die DDR im (DEFA-)Film« vorbereiteten. Hier bündelten wir fünf Filme zu fünf Themenkomplexen: Propaganda, Zensur und Verbote, Alltag, Musik, Komödie – und stellten uns die Frage: Was kann die Auseinandersetzung mit Filmen aus der und über die DDR heutigen Jugendlichen vermitteln und bei ihnen bewirken? Natürlich hätten wir Kurt Maetzigs »Das Kaninchen bin ich« gut als Beispiel für den Bereich Zensur und Verbote nehmen können. Hier entschieden wir uns aber für »Karla« – und für »Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse« als Exempel für Propaganda.

Kurt Maetzig, seinerzeit bereits 98 Jahre alt, war mit dieser Auswahl nicht glücklich und nicht einverstanden, was er uns in einem Brief (siehe Bildergalerie) auch begründete. Dennoch wünschte er uns viel Erfolg für das Projekt, persönlich konnten wir ihn leider nicht mehr begrüßen.




Die Veranstaltungen zu »Ernst Thälmann« begleitete der renommierte Filmhistoriker und Maetzig-Biograf Dr. Günter Agde, seine Worte bestätigten uns, dass wir nicht ganz falsch lagen: »Einmal: Es war nützlich, diesen Film zu zeigen, weil er einiges historische Wissen vermittelte: Thälmann, Arbeiterbewegung, Filmemachen in der DDR. Zum anderen war es gut und sinnvoll, auf die Art des ›Machens‹ einzugehen: Wie wird Propaganda ›gemacht‹ – im Film und in der damaligen Sicht auf soziale Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts.«

Dass Kurt Maetzig im übrigen wie kaum ein anderer DEFA-Regisseur in verschiedenen Genres markante filmische Spuren hinterlassen hat, beweist seine extraterrestrische Exkursion: »Der schweigende Stern« war – nach einer literarischen Vorlage von Stanislaw Lem – der erste Science-Fiction-Film der DEFA. Wolfgang Kohlhaase wirkte am Drehbuch mit, und Thälmann-Darsteller Günter Simon flog – mit internationaler Raumschiff-Crew – zur Venus. Die technischen und visuellen Effekte konnten sich 1960 sehen lassen, das Publikum strömte in die Kinos.


Fotos: FILMERNST; DEFA-Stiftung

Manja und Maria

»Glaubt nicht, daß ihr mich erschrecken könnt, indem ihr mir sagt, daß ich allein steh. Meine Einsamkeit soll meine Kraft sein. Ich will wagen und wagen und wagen bis in den Tod.« Welchen Unterschied macht es, ob dieser Schlussmonolog aus Shaws »Heiliger Johanna« von einer Arierin oder einer Jüdin gesprochen wird? Der Liebe wegen wurde aus der Christin Maria Rheine die Jüdin Manja Löwenthal, ein Identitätswechsel auf Leben und Tod. Corinna Harfouch wurde für die Gestaltung dieser Doppelrolle 1988 …


… bei den Internationalen Filmfestspielen in Karlovy Vary mit dem Hauptpreis als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Wir haben Siegfried Kühns »Die Schauspielerin« ins aktuelle FILMERNST-Programm genommen, nicht nur, weil er sich in die wahrscheinliche markanteste - antifaschistische – DEFA-Traditionslinie einreiht, sondern sie noch einmal um entscheidende Facetten bereichert.
Nicht zuletzt ist es auch ein filmernster Gruß zum 70. DEFA-Geburtstag in eigener Sache: FILMERNST Roland Helia war bei »Die Schauspielerin« Siegfried Kühns Regieassistent.

Zwei Tage nach dem DEFA-Jubiläum gibt es im Kino des Mediencampus Babelsberg (19.5., Beginn 19 Uhr) eine FILMERNST-Veranstaltung mit »Die Schauspielerin« – und dem Regisseur Siegfried Kühn und dessen damaligem Regieassistenten Roland Helia als Gäste.


Fotos: © DEFA-Stiftung/Norbert Kuhröber

Atmosphärisch aufknospend

Die Sonne glänzt, die Knospen platzen, es blühen die Gefilde: Natürlich brauchen wir für diesen filmernsten Frühlings-Rundbrief zur Einstimmung ein bisschen Frühlings-Poesie. Aber nichts vom Dichterfürsten mit »vom Eise befreit«, denn das war lange vor dem Klimawandel. Auch nicht »Im Märzen der Bauer …«, denn das ist nicht gendergemäß: »Die Bäurin, die Mägde, sie dürfen nicht ruhn …«. Also etwas Erhabenes und Komisches zugleich, lebenslustig, ermutigend, ovo-vegetarisch: »Wenn der holde Frühling lenzt / Und man sich mit Veilchen kränzt / Wenn man sich mit festem Mut / Schnittlauch in das Rührei tut …«


Nun sind Sie wohl neugierig geworden – und vermuten vielleicht das Werk eines Verseschmieds, dem die Rösser durchgingen. Weit gefehlt. Das schöne Gedicht stammt aus der Feder einer Frau, die als »schlesische Nachtigall« berühmt-berüchtigt, von den Kritikern zur »Großmeisterin der unfreiwilligen Komik« ausgerufen und immer wieder parodiert wurde. Friederike Kempner war mit Leidenschaft Lyrikerin, aber auch durchdrungen von großem sozialen Engagement. In der DDR erschien 1987 in der berühmten »Poesiealbum«-Reihe das Heft 239 mit ihren Gedichten; bei Reclam illustrierte Horst Hussel ein sehr schönes Bändchen – FILMERNST blättert gelegentlich darin.


Und hier noch einmal der Frühling in voller Länge:


»Wenn der holde Frühling lenzt / Und man sich mit Veilchen kränzt / Wenn man sich mit festem Mut / Schnittlauch in das Rührei tut / kreisen durch des Menschen Säfte / Neue ungeahnte Kräfte – / Jegliche Verstopfung weicht, / Alle Herzen werden leicht, / Und das meine fragt sich still: / »Ob mich dies Jahr einer will?« Friederike Kempner (1836 – 1904)

Aufstrebend aktiv

Derart von Optimismus durchdrungen, blicken wir gleich weit nach vorn, aber zunächst noch mal kurz zurück: FILMERNST, so steht’s jetzt im Projektbericht, erreichte 2015 so viele Schülerinnen und Schüler wie noch nie: 17.078 in 211 Kino-Vorführungen! Das übertraf unsere hohen Erwartungen um einiges, ist aber bei weitem noch nicht alles: Schon im Januar ging’s mit voller Kraft weiter bei den SchulKinoWochen und 15.000 Besuchern in 189 Veranstaltungen. Da müssen wir uns doch mal auf die Schultern klopfen und allen danken …


… die zu diesen Spitzenwerten beigetragen haben: allen Lehrerinnen und Lehrern natürlich, aber auch allen anderen Partnern in den Ämtern, Einrichtungen und Institutionen des Landes Brandenburg, die wissen, was FILMERNST kann. Ein immer größer werdender Anteil an der Besucherbilanz resultiert nämlich aus Zusatz- und Sonderveranstaltungen, aus Kooperationen und Beteiligungen mit und an anderen Projekten. Insofern stimmt ganz genau, was wir sind und was wir auch künftig bleiben: erste Adresse, Ansprech-, Schalt- und Vermittlungsstelle (schul-)filmischer Arbeit für Kinder und Jugendliche.

Aufschlussreich angemessen

Besucherrekorde sind nicht alles, was zählt bei schulfilmischer Arbeit. Weit wichtiger ist, ob und wie die Filme wirken und den Unterricht bereichern. Die (anonymen) Antworten in der Online-Umfrage zur SchulKinoWoche liefern da aufschlussreiche Erkenntnisse. Generell höchst erfreulich: Nicht nur mit ihren Klassen, sondern auch privat gehen die Brandenburger Lehrerinnen und Lehrer gern und häufig ins Kino. 35% mehr als siebenmal pro Jahr, 25% zwischen vier- und sechsmal, 30% zwei- bis dreimal. Der Kinobesuch als Klassenerlebnis … 


... und die Sichtung eines ausgewählten Films stehen für drei Viertel aller Beteiligten gleichwertig im Vordergrund. Zu 100% wurde der jeweils gesehene Film als angemessen für die Klassenstufe betrachtet; 92% konnten das Gesehene gut in den Unterricht integrieren. Für zwei Drittel aller Beteiligten war das der Deutsch-Unterricht, für wenige Geschichte oder Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde. Einige gaben an, mit dem Film fächerübergreifend gearbeitet zu haben. 


Fast alle Lehrerinnen und Lehrer verwenden Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Films: 63% (Vorbereitung) bzw. 54% (Nachbereitung) gaben jeweils eine Stunde an; 14% nutzten zwei Stunden für die Vorbereitung, immerhin 40% zwei Stunden für die Nachbereitung, die zumeist inhaltlich/thematische Akzente der Filme berücksichtigte, kaum filmästhetische.


60% erlebten Veranstaltungen mit Moderationen, deren inhaltliche Qualität sie überwiegend als sehr gut und gut bewerteten. Viele nutzen nicht nur die Gelegenheit der SchulKinoWochen, sondern regelmäßig auch das FILMERNST-Angebot: Mehr als 30% gehen wenigstens zweimal pro Jahr mit ihren Schülerinnen und Schülern ins Kino, 30% sogar mehr als zweimal. Wichtig bei der Filmauswahl ist vor allem der Inhalt (93%) und – mit Abstand – der Lehrplan-/Unterrichts-bezug (23 % stimmen hier voll und 75% eher zu). Formale/ästhetische Aspekte sind nur für rund die Hälfte von Belang – oder eben auch nicht. Die vorherige Bekanntheit des Films spielt keine Rolle; Schülerwünsche sind eher marginal.


Das Informationsmaterial kommt über mehrere Kanäle gut an, durchaus beachtlich ist die FILMERNST-Newsletter-Quote: Der Rundbrief wird gelesen – und insofern gehen wir davon aus, dass Sie auch diese kleine Auswertung bis hierher zur Kenntnis genommen haben – und bedanken uns noch mal sehr bei allen Lehrerinnen und Lehrern, die sich an der Online-Umfrage beteiligt haben.

Amüsant animiert

Jetzt aber mit Schwung auf ein Neues: Mitte April startet die erste, bis zum Schuljahresende reichende FILMERNST-Runde 2016. »Trick-Reich« wäre das passende Motto dafür, und dass sich das Programm ausschließlich dieser einen Gattung widmet, hat gute Gründe: Animationsfilme sind längst kein ›kunterbunter Kinderkram‹ mehr, sondern anspruchsvoller, tiefgründiger Inhalt in vielfältig-fantastischer Form. Unsere Auswahl, vier Filme für verschiedene Jahrgangsstufen, beweist es aufs Schönste und Originellste – und ist noch dazu …


… höchstdekoriert: Euphorisch gelobt und gerade mit dem Oscar ausgezeichnet wurde »Alles steht kopf«, ein weiterer Geniestreich aus der legendären US-amerikanischen »Pixar«-Wunderwerkstatt. 


Ganz anders in Stilistik und Technik ist die »Die Melodie des Meeres«: schlichte, klare Linien und ornamentaler Reichtum, irische Mythen und Legenden in einer universellen Geschichte – als »Märchenmeisterwerk« bezeichnet und mit dem Europäischen Filmpreis geehrt. 


Für den Oscar nominiert – und auf zahlreichen Festivals weltweit geehrt – wurde »Der Junge und die Welt«, eine brasilianische Symphonie der Farben und Formen. Der neugierige, unschuldige Blick eines Kindes auf die globalen Probleme, Kontraste und Umbrüche der Zeit. Die Worte in einer Fantasiesprache, die Bedeutung universell – für Kinder wie für Erwachsene. 


Ebenfalls ganz ohne Worte, aber mit einer beeindruckenden Geräuschkulisse und sinfonisch opulenter Begleitung summen und brummen, sirren und zirpen »Die Winzlinge« in einem französischen Nationalpark umher: eine aufregende Ameisen-Animation in einem hochspannenden, hochamüsanten Abenteuer für die Kleinsten.


Vier Animationsfilme aus vier Ländern, Perlen ihres Genres und Welterkundungen der ganz besonderen Art, die neben Witz, Spaß und Unterhaltung auch über Gehalt, Substanz und Tiefe verfügen. Auf ins »Trick-Reich«, Sie sind herzlich eingeladen!

Anmaßend abwertend

»Pompöse Schulfunk-Ästhetik«. Wie mag die wohl aussehen, was führt sie im Schilde? Nichts Gutes, das ist klar! »Ein Diavortrag«, das klingt nicht ganz so nach Unterricht, aber ziemlich abwertend. »Womit Schulklassen in Zukunft gelangweilt werden«, formuliert es direkt und als Gewissheit. Allerdings ist es nur die Vermutung eines Filmkritikers, wie Schüler auf »Das Tagebuch der Anne Frank« reagieren. Wir hätten da vielleicht ein paar ganz konkrete Antworten, aus eigenem Erleben und direkter filmernster Erfahrung. 


Die erste FILMERNST-Veranstaltung mit Hans Steinbichlers Anne-Frank-Film gab’s bereits Mitte März im Prenzlauer UNION, mit rund 200 Schülern von der »Philipp-Hackert«-Oberschule. Von Langeweile war da nichts zu spüren. Eher von Bewegung im Saal, Anteilnahme und Mitgefühl. Was die Schüler bewegt, mit- und nachfühlen lässt, was sie zu sagen haben zum Film und zur Figur, das werden wir in den weiteren, schon gebuchten Veranstaltungen noch genauer erkunden und erfahren. Ein Diavortrag jedenfalls, der kommt ganz anders daher.


»Das Tagebuch der Anne Frank« läuft bei uns im Rahmen eines Sonderprogramms, zu dem drei weitere Filme gehören. Beim Nachdenken über Anne Frank und den Film kam uns die Idee, ihr gewissermaßen drei Gefährtinnen an die Seite zu stellen: Junge Frauen, deren Leben und deren Geschichten – authentisch oder fiktiv – ebenfalls in jene Zeit zurückführen, die uns menschlich eindrucksvoll und künstlerisch ausdrucksvoll berühren und bewegen. 


Die vier Filme, neben »Das Tagebuch der Anne Frank« noch »Sophie Scholl – Die letzten Tage« sowie »Lore« und der DEFA-Klassiker »Die Schauspielerin« mit der jungen Corinna Harfouch in der Titelrolle, sind »Wunschfilme«, also ohne feste Termine und Spielorte.
Wenn Sie Interesse daran haben, dann rufen Sie uns bitte an oder schicken uns eine Mail. 


Wir freuen uns über jede Anfrage und jede Anmeldung – die Krönung ist natürlich, wenn eine Klasse oder Gruppe im Rahmen eines Projekts gleich alle vier Filme sehen will. Sie glauben, das gibt’s nicht? Doch, an der »Immanuel Kant«-Gesamtschule in Falkensee!


Und um noch mal auf die »Schulfunk-Ästhetik« zurückzukommen: Es gibt auch Kritiker, die sehen es anders – und zwar so: »Entstanden ist ein engagierter, hochsensibler, geradezu zärtlicher Film über ein aufgewecktes junges Mädchen – mit dem brutalstmöglichen Ende, das einem die Tränen in die Augen schiessen.« (Hermann Thieken, programmkino.de)

Albern authentisch

Ohne Kommissare, zwischen Spreewald und Eifel, von Sylt bis Konstanz, wäre das deutsche Fernsehen ziemlich arm dran. Das Leben ist hier nur als Fall möglich. Das deutsche Kino wiederum wäre ohne Lehrer, im Irgendwo und Nirgendwo, um ein ganz paar Millionen ärmer – Besucher und Euro. Das Lehrerleben ist im Kino nur als Komödie möglich, ohne Lehrer jedenfalls sähe die Kino-Bilanz 2015 um einiges schlechter aus: Unangefochten auf Platz 1 …


… der Hitliste steht »Fack ju Göhte2«, der zog und sog mehr als 7,5 Millionen Zuschauer in die Filmtheater des Landes. In »Frau Müller muss weg« – Platz 8 der deutschen Besucherstatistik – haben reichlich 1,5 Millionen ihre Elternabend-Erfahrungen mit denen auf der Leinwand verglichen. Schließlich konnte Anja Kling in nur drei Dezember-Wochen mit ihrer gewissermaßen winzigsten Rolle, »Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft«, eine halbe Million für die Freuden und Tücken des Berufs begeistern. Und weil das Heimkino diesem Treiben nicht tatenlos zusehen will: Hier ist immer donnerstags Treffpunkt Schule, wenn Hendrik Duryn in »Der Lehrer« reichlich drei Millionen Zuschauer vor die Bildschirme bannt. Aufgrund der Top-Einschaltquoten werden ab Sommer 2016 weitere 13 Folgen gedreht. 


Sie sehen also: Schule, Lehrer, Unterricht sind gesellschaftlich und filmisch überaus wichtige und ergiebige, wenngleich – zumindest in den erwähnten Produktionen – ziemlich alberne Themen. Bei uns waren und sind diese Filme daher auch nicht im Programm. Wir haben es – filmernst gesehen – in der Regel mit anderen, authentischen Lehrerinnen und Lehrern zu tun, die vielleicht vor ähnlichen Problemen und Herausforderungen stehen, diesen aber weniger mit flapsigen Sprüchen und anarchistischen Aktionen begegnen. Als Kino- oder TV-Helden sind diese Lehrkräfte anscheinend unergiebig, dramaturgisch tiefbegabt, mediale Sitzenbleiber. Wir wollen und können das nicht glauben – und hoffen weiter allen Ernstes auf  Leinwand-Lehrer frei von Klamauk und »Schulfunk-Ästhetik«. Die gibt es doch, im wahren Leben zumindest.

Abwerfend adverbial

»Die deutsche Sprache wirft Ballast ab«, so ist es diese Woche im Zentralorgan der gebildeten Stände zu lesen. Ja, wir wissen es längst: Der Genitiv stirbt, und der Chantal ihre Dative in »Fack ju Göhte« sind für die meisten voll krass und völlig korrekt. Bei FILMERNST dagegen herrscht ein strenges orthografisches Regime, deshalb haben wir in unserem »Trick-Reich«-Programm auch geschrieben: »Alles steht kopf«. Das führte zu Unverständnis und Nachfragen, denn überall sei doch zu lesen: ALLES STEHT KOPF. Freilich, wer …


… aus purer Not immer alles in VERSALIEN schreibt, der braucht sich um Groß- und Kleinschreibung nicht zu bekümmern. Wir haben nicht alles im Kopf, aber noch manches im Duden – und nicht alles, was wichtig ist, wird automatisch ein Substantiv. Insofern stand letzte Woche auch ganz groß – und richtig – in der »Zeit«: »Du bist schuld!«
Wir jedenfalls nehmen die deutsche Sprache nach wie vor sehr ernst, filmernst.

Aviatorisch abstürzend

Zum Schluss noch was Amüsantes – und der Beweis dafür, wie auch die Schule dem Leben manchmal weit voraus sein kann: Im 2015 gedruckten Seydlitz-Geografie-Lehrbuch für die Klassen 9/10 findet sich unter der Überschrift »Verkehrsknoten Berlin« die münchhausensche Behauptung: »Der rund 3 Milliarden Euro teure Flughafen Berlin Brandenburg BER bei Schönefeld ist seit 2012 einziger Flughafen der Region.« 


Der für das Bildungswerk zuständige Redakteur wusste sich gekonnt zu entschuldigen und begründete die totale Fehlinformation mit der berühmten Berliner Geschwindigkeit: »Wir wurden von den Entwicklungen überrollt.« Nicht zuletzt liefert er noch einen Beitrag zur Relativitätstheorie: »Das ist eine Information von vielen. Ein Fehler macht die restlichen guten 99 Prozent des Buches nicht schlecht.« Alles ist relativ – und manches steht kopf!


Dank für diese Information dem »Tagesspiegel«-Morgenrundbrief namens »Checkpoint«, der höchst investigativ, wirklich originell und sprachlich-stilistisch weit über dem Durchschnitt daherkommt – und dem gerade auch schulische Themen sehr am Herzen liegen.

Hänsel & Gretel im Netz

Nächsten Dienstag, am 23. Februar, ist Premiere im Filmmuseum Potsdam für einen weiteren Film von Kindern für Kinder. In »Hänsel und Gretel verlaufen sich im Netz« geht es um die Tücken und Gefahren des Mediums gerade für die heranwachsenden und scheinbar so souveränen jungen Internet-User. Entstanden ist der kurze Realfilm mit animierten Passagen im Rahmen der Initiative »Movies in Motion – mit Film bewegen«. In Filmworkshops des Filmverbands Brandenburg ...


... können Kinder und Jugendliche unter professioneller Anleitung ihre Ideen ganz praktisch und direkt filmisch ausprobieren. Neben »Hänsel und Gretel verlaufen sich im Netz« (15 Minuten) werden am 23. Februar (ab 10 Uhr) noch die beiden je 14-minütigen Kurzfilme »Baby!« und »Traumtänzer«, ebenfalls von Kyritzer Kindern, gezeigt. Die Nachwuchs-Filmemacher freuen sich sehr auf die Premiere und natürlich auf möglichst viele Besucher.


Einladung zum Download


Der Filmverband Brandenburg wird weitere Projekt dieser Art realisieren und möchte künftig vor allem auch Schulen mit Willkommensklassen und geflüchtete Kinder und Jugendliche einbeziehen. Bislang hat der Verein mit »Movies in Motion« bereits mehrere Filmprojekte mit Kindern und Jugendlichen in der Landeshauptstadt und anderen brandenburgischen Orten erfolgreich realisiert. FILMERNST-Kompetenz gibt’s dabei von Kameramann und Regisseur Roland Helia, der sich hier (Bild unten) zwar die Haare rauft, aber stets mit verrückten filmischen Ideen, nervenstarkem Einfühlungsvermögen und gelassener Geduld die Projekte begleitet.


Fotos: Filmverband Brandenburg




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