FILMERNST

Sehend lernen – Die Schule im Kino

Das Kompetenzzentrum für
Film – Schule – Kino
im Land Brandenburg

2016
Ein Tusch für einen Preis

Es gibt ja Leute, die reisen zu Preisverleihungen gar nicht erst an, nicht mal nach Stockholm, um sich zu nobilitieren, so wie »His Bobness« Dylan in jenem Jahr. Wir dagegen reisten in voller FILMERNST-Mannschaftsstärke nach Berlin in die Akademie der Künste, um dort einen Preis in Empfang zu nehmen. Unseren ersten überhaupt: Die DEFA-Stiftung fand unsere filmernste Arbeit, auch und gerade zur Vermittlung des filmischen Erbes …


… eine Auszeichnung wert. Gemeinsam mit dem Kinderfilmfest im Land Brandenburg wurden wir mit einem von drei DEFA-Programmpreisen geehrt – und freuten uns natürlich über die Maßen!


Mehr als 500 Gäste hatten sich am 18. November im AdK-Haus am Hanseatenweg eingefunden, um – im Jubiläumsjahr, 70 Jahre nach Gründung der DEFA – die Preisverleihung mitzuerleben. Den Preis für das künstlerische Lebenswerk bekam Herrmann Zschoche, den auch wir schon mehrfach mit seinen Werken (»Karla«, »Philipp der Kleine«, »Sieben Sommersprossen«, »Insel der Schwäne«, »Das Mädchen aus dem Fahrstuhl«) bei FILMERNST-Veranstaltungen präsentierten und zu Gast hatten. Für die in aller Welt geschätzten Filmhistoriker Erika und Ulrich Gregor gab es den Preis für herausragende Leistungen im deutschen Film; für den jungen Regisseur Thomas Stuber den Förderpreis für junges Kino.


Die drei Programmpreise gingen an die »Homunkulus« Figurensammlung auf Hiddensee, an Horst Peter Koll, den langjährigen Chefredakteur der Zeitschrift »film- dienst«, und der dritte zu gleichen Teilen an das Kinderfilmfest im Land Brandenburg und an FILMERNST.


Moderiert wurde der Abend in gewohnt launig-lockerer Art von Kino-King Knut Elstermann. Ein beeindruckend langes Saxofon-Solo blies der legendäre Günther Fischer. Viel voll und kräftig klingendes Blech schmetterte die »Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot«, ihr Tusch klingt uns in den Ohren: Der kleine FILMERNST ist mit dieser Auszeichnung ein ganzes Stück gewachsen!



Fotos: Christa Penserot/LISUM




Die filmernste Arbeit 2016 bot, aus aktuellem Anlass, auch zahlreiche Veranstaltungen für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Filme, das ist bekannt, erleichtern den Zugang zu einer fremden Kultur und Sprache. Deshalb hatte das Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Jugend und Film (BJF) einen »Cinemanya-Koffer« gepackt: 18 deutsche Filme mit arabischen Untertiteln oder in Synchronfassung für die medienpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Die erste FILMERNST-Cinemanya-Veranstaltung fand im Berliner »Bundesplatz-Kino« statt: Mehr als 70 Jugendliche aus Willkommensklassen vom »Schadow-Gymnasium« in Steglitz und der »Bröndby-Oberschule« in Lankwitz sahen Bernd Sahlings Debüt-Spielfilm »Die Blindgänger«.



Fotos: FILMERNST


Anschließend hatten die Schüler:innen – aus Afghanistan, Syrien, Bosnien, Mazedonien, Bulgarien, Costa Rica, Cuba – eine Menge Fragen an FILMERNST und den Regisseur: Warum wir gerade diesen Film für sie gewählt hätten, wie und wo er entstanden sei, wie die jungen Darsteller ausgesucht wurden, warum Herbert, der Russlanddeutsche, unbedingt wieder zurück nach Kasachstan wolle. Und natürlich gab’s die Frage nach dem Happy-End, das bei diesem Film ja nicht ganz so offensichtlich ist.
Der FU-Pädagogik-Student Hussein Khayed übersetzte ins Arabische und der sehr engagierte, filmbegeisterte Lehrer Rob van Beek ins Englische. Nicht wenige der Jugendlichen aber stellten ihre Fragen bereits auf Deutsch – und wurden gut verstanden. Am Ende gab’s ein Gruppenfoto vor dem »Kino Bundesplatz« – und einen filmernsten Dank an alle Beteiligten, nicht zuletzt an die Kino-Chefs Peter Latta und Martin Erlenmaier.


Eine ähnliche Veranstaltung fand im UNION Kino Prenzlau statt, hier mit Sebastian Groblers Fußball-Film »Der ganz große Traum«. Nach rund einer Dreiviertelstunde Film hätte eigentlich die erste Pause sein müssen: Zuschauer:innen aus Syrien wissen das und warten darauf: bei jedem Film, nicht nur bei denen mit Überlänge. Bei der Prenzlauer Vorführung liefen die 110 Minuten an einem Stück, und die reichlich hundert Zuschauer folgten der Geschichte, wie der Fußball nach Deutschland kam, mit großer Aufmerksamkeit und Spannung. Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren aus Syrien, Afghanistan, Tschetschenien, Bangladesh, Somalia, Pakistan. Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren sie nach Deutschland gekommen; in »Willkommensklassen« lernten sie am Oberstufenzentrum, in der »Carl-Friedrich-Grabow-Schule« und der Aktiven Naturschule.



Fotos: FILMERNST


Belal Nayseh, ein Syrer, der damals bereits seit anderthalb Jahren in Prenzlau lebte und Deutschunterricht für Erwachsene gab, übersetzte die zahlreichen Fragen und Antworten. Erstaunen bei den Jugendlichen über das völlig veränderte Leben in Deutschland damals und heute. Dass es auch hierzulande Zeiten gegeben habe ohne Demokratie und in der Schule die Prügelstrafe. Einer der Jungen meinte, dass in Syrien Deutschland als Vorbild für schulische Erziehung genommen werde. Zwei 16-Jährige hatten sich sogar während des Films Notizen gemacht. Belal Nayseh übersetzte, was sie auf Arabisch sagten: Sie hätten vor allem festgehalten, dass man nie aufgeben dürfe. Wenn man wirklich an sich glaube, dann müsse man auch niemals aufgeben.
Für alle an diesem Vormittag war der Besuch im Prenzlauer UNION ein Erlebnis und für Kinochef Klaus-Dieter Glander »ein Herzensbedürfnis«, gerade bei einer solchen Aktion mit dabei zu sein.




Gern und häufig gesehener FILMERNST-Gast war die Regisseurin Cornelia Grünberg mit ihren Filmen »Vierzehn – Erwachsen in neun Monaten« und »Achtzehn – Wagnis Leben«. »Gibt es eine Fortsetzung? Was ist aus ihnen geworden, wie ist es weitergegangen?« Häufig gestellte Fragen, gerade bei Dokumentarfilmen. Ja, es gibt eine Fortsetzung, konnte Cornelia Grünberg dann antworten, wenn sie im Anschluss an »Vierzehn« danach gefragt wurde. »Vierzehn« ist das einfühlsame Gruppenporträt von vier Mädchen, die in eben diesem Alter schwanger und praktisch in nur neun Monaten erwachsen wurden. Im Anschluss an fast jede der zahlreichen Vorführungen wurden Meinungen, Erfahrungen, Gefühle ausgetauscht, kamen die Schüler:innen miteinander und mit der Regisseurin ins Gespräch. Das war nach »Achtzehn« nicht anders, wo – zum Beispiel im Prenzlauer Kino UNON – Cornelia Grünberg berichtete, was Langzeitdokumentationen von den Filmemachern erfordern: viel Kraft, Ausdauer und Geduld. Für das Publikum sind Fortsetzungsgeschichten von großem Reiz – und es war sehr erstaunlich oder mehr noch erfreulich, wie die Filme und das Thema nicht nur die Mädchen, sondern auch die Jungen erreichte und bewegte. Geschichten, die das Leben schreibt!



Fotos: FILMERNST


Motivierend für uns natürlich auch das Lob der Regisseurin: »Sehr gut fand ich euren Moderator Sven-Ole Knuth. Er hat die Schüler und Schülerinnen sehr gut eingeführt, sowohl in das Genre künstlerischer Dokumentarfilm als auch in die Problematik der Teen-Moms. Ich muss sagen, dass das die besten Moderationen waren, die ich auf meiner Reise mit ›Vierzehn‹ erlebt habe. Super gut vorbereitet und gut geführt.«


2016
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