Spuren – Die Opfer des NSU

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Spuren – Die Opfer des NSU

Deutschland 2019 / Dokumentarfilm / 81 Minuten / 9.-13. Jahrgangsstufe

Inhalt

»Sie waren dabei, Deutschland zu ihrer Heimat zu machen«: Enver Şimşek. Abdurrahim Özüdoğru. Süleyman Taşköprü. Habil Kılıç. Mehmet Turgut. İsmail Yaşar. Theodoros Boulgarides. Mehmet Kubaşık. Halit Yozgat. Neun Männer. Acht mit türkischen und kurdischen, einer mit griechischen Wurzeln. Vielleicht können wir diese Namen nicht flüssig lesen, wahrscheinlich nicht korrekt aussprechen. Aber diese Aufzählung muss hier sein. Hinzu kommt der Name Michèle Kiesewetter, eine deutsche Polizistin. Das zehnte und letzte Mordopfer einer rechtsextremen Terrorgruppe, die sich »Nationalsozialistischer Untergrund« nannte. Zwei der Mörder erschossen sich selbst, eine Mittäterin wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Film richtet seinen Blick nicht auf sie, sondern auf die Opfer und deren Angehörige. Sie wurden von deutschen Ermittlungsbehörden kriminalisiert, des Rauschgifthandels oder der Geldwäsche verdächtigt. Selbst seriöse Medien sprachen in rassistischer Weise von milieubedingten »Döner-Morden«. Elf Jahre lang durfte sie nicht Opfer sein, galt sie als Tochter eines Drogenhändlers, sagt Semiya Şimşek. Ihre Mutter Adile spricht vom aufrechten Gang, der ihr erst wieder möglich wurde, nachdem ihre Unschuld bewiesen und ihre Ehre wiederhergestellt war.

Das Gericht hat seine Urteile gesprochen. Die Gesellschaft, WIR, sind längst nicht fertig mit dem Fall.

Bilder: Salzgeber & Co. Medien GmbH, Berlin

Themen

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Fächer

Deutsch   |  Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde   |  Politische Bildung   |  Geschichte

»Wie acht der zehn NSU-Opfer ist auch die Berliner Dokumentarfilmerin Aysun Bademsoy türkisch-migrantischer Herkunft und mit ihren Eltern als Kind nach Deutschland gekommen. Auch deswegen verspüre sie besondere Verbundenheit mit ihnen, sagt sie. Am Münchner Prozess nahm sie von Anfang an als Beobachterin teil. Nach dessen Abschluss gelang es ihr auch, Kontakt zu einigen der Familien herzustellen, die in ihrem trotz aller Wucht unaufgeregten, mit einem zurückhaltenden selbst gesprochenen Kommentar strukturierten Film endlich einmal die Hauptrolle bekommen.«
Silvia Hallensleben, epd film, Frankfurt/Main

»Spuren – das sind nicht nur die Hinweise, die Verbrecher am Tatort hinterlassen, sondern auch die Verletzungen und Narben, die ihre Taten bei den Angehörigen der Opfer, in den migrantischen Gemeinschaften und in der gesamten deutschen Gesellschaft verursachen. In ihrem Dokumentarfilm begibt sich die türkischstämmige Regisseurin Aysun Bademsoy auf die Suche nach diesen Spuren und stellt sich dabei die Frage, welcher Prozess diese Verletzungen überhaupt heilen könnte. ›Spuren‹ ist ein vielschichtiger Dokumentarfilm, der das Scheitern von Ermittlern und Justiz beleuchtet – und den Angehörigen der Opfer endlich eine Stimme gibt.«
Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Potsdam / aktionsbuendnis-brandenburg.de

»›Spuren‹ ist ein nötiger Film, dabei ein sehr leiser. Umso erschütternder ist es, wenn etwa Adile Şimşek erzählt, wie die Polizei nach der Ermordung ihres Mannes Enver 2000 in Nürnberg ihm Drogenhandel unterstellte und sogar eine Zweitfamilie erfand, um die Witwe zu einer Aussage zu drängen. Als ihre Unschuld bewiesen und ihre Ehre wiederhergestellt worden war, hätte sie wieder aufrecht gehen können, sagt Adile - und steht im Interview auf und geht eine Runde um den Couchtisch. Der Ausgang des NSU-Prozesses hat die Angehören schwer enttäuscht. Adile Şimşek und ihre Tochter leben jetzt in der Türkei. Dort endet auch der Film mit der schmerzlichen Frage, inwieweit Deutschland für die Kinder und Enkel der Gastarbeiter überhaupt eine Heimat ist. ›Wir hatten und haben als ganze Gesellschaft etwas gutzumachen‹, sagt Bademsoy. ›Spuren‹ ist ein Beitrag dazu.«
Martina Knoben, Süddeutsche Zeitung, München

»Man schaut in ›Spuren‹ von Anfang an in den Abgrund, den der NSU-Komplex noch immer darstellt. Wie kann es sein, dass so etwas passiert, dass mitten in Deutschland Menschen umgebracht werden über Jahre, ohne dass sich der Großteil der Gesellschaft dafür interessiert? Erst wenn die Monstrosität dieses Vorgangs begriffen ist, können Rassismus und Rechtsradikalismus verstanden werden als Gift, das Gesellschaften kaputtmacht. Dass es bis dahin noch ein langer Weg ist, führte die Weltpremiere von ›Spuren‹ beim Leipziger Dokumentarfilmfestival im letzten Herbst vor. Das Thema sei dem Festival wichtig sei, hieß es – was das gleiche Festival dann aber dadurch dementierte, dass es Bademsoys Film weder im Internationalen noch im Deutschen Wettbewerb programmierte. So lässt sich ziemlich gut die Ignoranz definieren, die alle filmischen und dokumentarischen Versuche über den NSU-Komplex zur durchbrechen versuchen.«
Matthias Dell, Der Tagesspiegel, Berlin

»Wie kann Deutschland nach so einem Vorfall noch Heimat sein? Diese Frage stellt Aysun Bademsoy mit ihrem Film und findet ganz unterschiedliche Antworten. Teile der Familien sind zurück in die Türkei gezogen, um Ruhe zu finden. Andere – in Deutschland geboren und aufgewachsen – wüssten gar nicht, wo Heimat sein soll, außer in Deutschland. Sie müssen lernen, hier zu leben, mit der Verunsicherung und ihrer Trauer. Ob das gelingt, bleibt offen.«

»Jedoch sind es nicht nur die gesprochenen Worte, die beim Zuschauer nachhallen, sondern vielmehr die Momente des Schweigens, die Pausen nach einem Satz beispielsweise. Wenn schon die Trauer und die Wut schwierig ist in Worte zu fassen, so umgibt die Gesprächspartner teils Schweigen, wenn es darum geht, die Konsequenzen dieser Taten zu bedenken, die weit über die Stadtgrenzen Hamburgs, Dortmunds oder Nürnbergs hinausgehen und die Frage stellen, inwiefern Deutschland sich überhaupt jemals als Heimat dieser Menschen verstanden hat. Diejenigen, die in die Türkei zurückgekehrt sind, haben bereits eine Antwort auf diese Frage gefunden, auch wenn man die Enttäuschung in ihrer Antwort deutlich heraushört. ›Du bleibst halb zurück‹, heißt es an einer Stelle im Film und man kann nur erahnen, dass der Verlust, der hier angesprochen wird, sich nicht nur auf einen geliebten Menschen bezieht.«
Rouven Linnarz, film-rezensionen.de, München

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